Große Offenheit und ein gutes Miteinander
Interview mit Patrizia Dander
Patrizia Dander hatte schon rheinländische Luft geschnuppert, bevor sie die Leitung der kuratorischen Abteilung an der renommierten Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen übernommen hat. Von 2004 bis 2006 war sie Volontärin des Düsseldorfer Kunstvereins, von 2006 bis 2007 leitete sie gemeinsam mit Akiko Bernhöft den Ausstellungsraum white light. Nach Tätigkeiten für das Münchner Haus der Kunst und das Museum Brandhorst kehrte sie 2022 ihrer bayrischen Heimat den Rücken und lebt seit November 2022 wieder am Rhein. Im Interview verrät Dander, was sie an der hiesigen Kunstszene schätzt und welche Anforderungen ein modernes Museum erfüllen muss.
Du hast lange in München gelebt. Welche Rolle spielt der Standort Düsseldorf für deine Arbeit?
Düsseldorf fühlt sich für mich einerseits sehr vertraut an, andererseits gibt es für mich noch viel zu entdecken – in den letzten Jahren hat sich doch einiges bewegt. Im Rheinland und im angrenzenden Ruhrgebiet, existiert dieses wunderbar dichte Netz aus Institutionen, die alle ihre eigenen Profile, Modelle und Programme haben. Momentan genieße ich es sehr, an den Wochenenden herumzufahren, Ausstellungen zu sehen, Kolleg*innen zu treffen. Es ist ein echtes Privileg, meine Basis in Düsseldorf zu haben und hier zu arbeiten.
Was ist geblieben, was hat sich verändert, seit du vor 16 Jahren von Düsseldorf nach München gezogen bist?
Viele Leute aus der Kunstszene sind geblieben, insbesondere auch jüngere Künstler*innen, was für Düsseldorf spricht. Hier leben gleich mehrere Generationen von Künstler*innen, die Kunstgeschichte geschrieben haben. Ich denke beispielsweise an Hans-Peter Feldmann, Thomas Schütte oder Katharina Fritsch. In München ist das nicht in dem Maße der Fall. Es ist sehr teuer dort, viele sind gezwungen, die Stadt zu verlassen. Im Vergleich dazu scheinen mir die Arbeitsbedingungen für Künstler*innen in Düsseldorf nach wie vor solide.
In der hiesigen Szene, die ja auch durch die Akademie und die unabhängigen Kunsträume geprägt ist und belebt wird, greift alles ineinander. Das fühlt sich sehr gesund an und ist in meinen Augen wichtig, damit eine Kunststadt funktionieren kann. Die Tatsache, dass in Düsseldorf sowohl städtische als auch Landesinstitutionen beheimatet sind, schafft einen großen Reichtum. Es ist eine Stadt der kurzen Wege – auch das finde ich wichtig. Die Galerienszene hat sich sehr zu ihrem Vorteil entwickelt.
Wie sieht das Museum der Zukunft aus?
Da ist der Aspekt der Nachhaltigkeit. In der Kunstsammlung wird seit vielen Jahren engagiert und konsequent daran gearbeitet, den CO₂-Verbrauch zu senken. Ausstellungen, die in mehreren Institutionen gezeigt werden, werden immer wichtiger, weil es nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch ein sinnvoller Ansatz ist. Wir zeigen in diesem Jahr beispielsweise eine fantastische Chaïm Soutine-Ausstellung, die dann an das Louisiana Museum nahe Kopenhagen weiterreist.
Des Weiteren stellt sich die Frage, wie das Museum mit seinen verschiedenen Publikumsgruppen interagieren will. Gerade ist eine neue Kollegin ans Haus gekommen, die sich mit Community Engagement beschäftigt. Digitalisierung ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt, das haben wir während der Corona-Pandemie gemerkt.
Abgesehen davon lebt ein Museum aber nach wie vor von physischen Begegnungen. „Encounters“ ist eine monatliche Gesprächsreihe im K21, die sich aktuellen Fragen zur Bedeutung der zeitgenössischen Kunst für die Zukunft unserer Gesellschaft widmet. Dazu laden wir Künstler*innen und Theoretiker*innen ein, die wiederum eine*n Gesprächspartner*in vorschlagen. Hier steht der gemeinsame Austausch vor Ort im Mittelpunkt. Das schafft Raum für offene Diskussionen und ich finde es auch wichtig, dass sich diese nicht sofort medial verbreiten. Insofern ist ein Gespräch auch ein Schutzraum, dessen Inhalte nicht der Verwertungslogik des Digitalen unterworfen sind.
Wie erstellt man ein Programm für ein zeitgemäßes Museum?
Das Programm hat sich in den letzten fünf Jahren, seit Susanne Gaensheimer Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ist, stark entwickelt. Es gibt eine deutlich diversere Programmstruktur, die Präsentation von Künstler*innen aus nicht-westlichen Ländern hat an Bedeutung gewonnen. Wir vermitteln zwischen lokaler Verankerung und internationaler Positionierung und entwickeln dementsprechend unsere Programmstruktur. Das diesjährige Programm ist ein gutes Beispiel dafür. Indem wir beispielsweise Reinhard Mucha, einen der wegweisenden Künstler aus Düsseldorf zeitgleich zu der US-Amerikanerin Jenny Holzer zeigen, deren formal wie politisch hoch relevantes Werk noch nie in diesem Umfang ausgestellt wurde. Ab Ende März präsentieren wir im K20 das malerische und literarische Œuvre von Etel Adnan, eine Künstlerin, deren Werke wunderbar an die Abstraktion der Moderne und damit einen unserer Sammlungsschwerpunkte anschließen. Im Anschluss daran stellen wir mit Chaïm Soutine einen Maler der Moderne in den Fokus, der hier bislang kaum sichtbar war. Wir sind sehr froh, als eines der wenigen deutschen Museen ein Bild des Künstlers in unserer Sammlung zu haben.
Im Herbst wird es die erste Überblicksausstellung von Isaac Julien in Deutschland geben, einem der wichtigsten Schwarzen Filmemacher aus Großbritannien, dessen Werk andockt an den Medienkunst-Schwerpunkt im K21 und der sich mit Fragestellungen auseinandersetzt, die schon in der Ausstellung „Dialoge im Wandel“ mit Fotografien aus der Walther Collection im letzten Jahr thematisiert wurden: das koloniale Erbe und seine Nachwirkungen. Andrea Büttner, deren Arbeiten Ende des Jahres im K21 zu sehen sein werden, befragtin ihrer künstlerischen Praxis die Wertesysteme und Konventionen, die ästhetischen Erfahrungen zugrunde liegen. In der Ausstellung gewährt sie Einblick in ihren Forschungsprozess. Ich halte sie für eine der wichtigsten deutschen Künstler*innen ihrer Generation.
Das klingt sehr vielfältig und abwechslungsreich. Wohin gehst du, wenn du abschalten willst?
Ich lebe in der Nähe des Zooparks und wenn ich raus aus der Stadt möchte, gehe ich in den Grafenberger Wald. Aber gerade bin ich nicht im Ausspann-Modus. Düsseldorf ist für mich ein Knotenpunkt, von dem aus ich mich in alle Richtungen bewegen kann. Ich bin an den Wochenenden viel unterwegs.
Wohin gehst du, wenn du essen gehst?
Da sind die Klassiker wie die Bar Olio, die ich noch aus meiner ersten Düsseldorfer Zeit kenne, aber auch einige, die ich unbedingt noch besuchen möchte. Die Kurve in Pempelfort oder das Nørds in Flingern zum Beispiel. Bei mir um die Ecke ist eine schöne kleine Bar, Kakhaber, mit georgischen Naturweinen. Toll finde ich auch die ganzen japanischen Restaurants. Ich war 2018 drei Monate lang in Tokio und bin seitdem geradezu süchtig nach japanischem Essen. Darüber hinaus entdecke ich momentan die koreanische Gastronomie. Insgesamt gibt es in dieser Stadt so viele unterschiedliche und hervorragende Restaurants. Das ist fantastisch.
Reportage von Ilona Marx und Sebastian Wolf (Fotos).
Dieser Beitrag ist gefördert durch REACT-EU.