
Myko:nect – Wie Clara Schmidt mit ihrer Pilzzucht Böden saniert
Ein Interview mit Clara Schmidt über die Schönheit und Wirkung von Pilzen
2022 gründete Clara Schmidt ein Labor für Pilzzucht, Myko:nect, mitten im Düsseldorfer Stadtteil Kaiserswerth, der gemeinhin bekannt ist für seine mittelalterliche Kaiserpfalz, für gehobene Sterneküche und idyllische Biergärten. Mit ihrem Unternehmen verwirklicht Schmidt ihre Vorstellungen von einem nachhaltigen Umgang mit der Natur. Die Pilzexpertin forscht an den energieeffizientesten Methoden, Pilze und ihre Myzelien zu züchten, und macht es sich zur Aufgabe, das Handwerk nach neuestem Wissensstand zu lehren.
Du hast dein Unternehmen Myko:nect Anfang letzten Jahres gegründet. Wann bist du zum ersten Mal mit der Pilzzucht in Kontakt gekommen?
Ich habe vor zwei Jahren einen Kurs zum Thema Permakultur in Portugal belegt und bin dort auf Umwegen auf das Thema Pilze aufmerksam geworden. Als ich tiefer eintauchte, stieß ich auf die Bücher von Paul Stamets1 und war absolut fasziniert. Es mag vielleicht ein bisschen pathetisch klingen, aber mein Leben hat sich seither in großem Maß verändert. Ich habe mich in die Welt der Pilzzucht eingearbeitet und mich mit Myko:nect selbstständig gemacht. Im Januar 2022 hatte ich erstmals die Idee, Ende 2022 habe ich hier in meinem Labor angefangen.
Was fasziniert dich an Pilzen?
Ich finde es spannend, dass die Pilze ein unterirdisches Netzwerk bilden. Wir sprechen da von sehr großen Organismen, die unterirdisch Kommunikation betreiben und mit den Pflanzen Nährstoffe austauschen. Denn Pilze sind nicht nur der sichtbare Teil, der Fruchtkörper, der an die Oberfläche kommt. Das Myzel, das unsichtbare Netz, ist viel größer. Manchen meiner Kursteilnehmer*innen ist das nicht bewusst. Daneben fasziniert mich die Schönheit, Heilkraft und Wirkung, die die Pilze haben.

Welche Einsatzmöglichkeiten siehst du für deine Pilze?
Austernpilze sind essbar – sie eignen sich bestens als Fleischersatz. Das Heilpulver, das ich aus dem Löwenmähnenpilz gewinne, mischt man ins Essen, aus den Reishi-Pilzen lässt sich Tee zubereiten. (Anm. d. Red.: Löwenmähne und Reishi gelten als Superfood. Löwenmähne soll beispielsweise über einen hohen Gehalt an Mineralstoffen und Spurenelementen verfügen.) Das Substrat aus Holzspänen und Roggen, auf dem meine Pilze wachsen und das übrig bleibt, wenn ich die Fruchtkörper geerntet habe, nutze ich als Dünger für meine Gemüsepflanzen im Garten. Es ist auch nach der Ernte noch mit Myzelien durchsetzt, und obwohl ich erst vor einem knappen Jahr angefangen habe, das Substrat zu nutzen, wächst das Gemüse wie verrückt. Ich arbeite in einer Kreislaufwirtschaft. Verwendet wird ausschließlich Holz von frisch geschnittenen Bäumen aus den umliegenden Wäldern. Alle zugesetzten Rohstoffe sind aus biodynamischem Anbau und größtenteils lokalen Ursprungs. Aus meinen Gemüseabfällen und anderem Biomüll erzeuge ich im Keller mit Hilfe von Regenwürmern meinen eigenen Humus, den ich wiederum nutze, wenn ich in den Gärten meiner Kund*innen den Boden saniere. Das ist, zusammen mit den Pilzkursen, mein Hauptgeschäft.
Die Bodensanierung?
Ja, ich werde in Gärten gebeten, in denen Pflanzen entweder krank sind oder nicht gut gedeihen. Ich bringe dort Humus ein, baue Pilzbeete, mulche die Erde mit dem Pilzsubstrat. Brennnesseljauche nutze ich als natürlichen Dünger. Auch das stärkt das Immunsystem der Pflanzen. Durch das bewusste Ansiedeln bestimmter Pilze in der Natur und das Einbringen von Biomasse reichere ich Böden mit wichtigen Nährstoffen an und befreie sie von giftigen Schadstoffen. Pflanzen können auf diese Art gesund wachsen und von Krankheiten geheilt werden.

Gibt es in Düsseldorf Mitstreiter*innen für die Idee?
Noch nicht so viele. Im Moment hilft mir Instagram sehr. Dort treffe ich auf viele Gleichgesinnte und kann mich vernetzen. Das geschieht ähnlich organisch und scheinbar mühelos, wie ich es in meinen Pilznetzwerken beobachten kann (lacht).
Was vermittelst du in den Pilzkursen?
Mein Grundwissen zum Thema Pilzzucht und ich gebe einen Einblick, was Pilze alles können. Ich verkaufe selbstproduzierte Grow-Kits und zeige, wie man Pilze selbst anbaut. Zudem spreche ich über die Möglichkeiten der Bodensanierung.
Wie findest du deine Kundschaft?
Das läuft über Mund-zu-Mund-Propaganda. Ich habe einmal einen Vortrag im Restaurant Im Schiffchen gehalten. Danach hat sich das sehr organisch entwickelt.

Welche Rolle spielt Düsseldorf für dein Unternehmen?
Düsseldorf ist meine Heimat, hier lebt meine Familie, die mich sehr in meiner Arbeit unterstützt. Ich bin zur Ruhe gekommen. Seit ich in Kaiserswerth wohne, bin ich relativ selten in der Innenstadt. Vor Ort habe ich alles, was ich brauche.
Siehst du noch andere nachhaltige Ansätze in der Stadt? Gibt es eine Art Szene?
Ja, durchaus. Es gibt in Heerdt die Ökotop-Community und die Solidarische Landwirtschaft, kurz: Solawi. Bei beiden wird ein nachhaltiger Ansatz verfolgt.
Was wäre dein Traum?
Meine Utopie ist, dass wir wieder mehr miteinander arbeiten. Die Natur lebt vom Geben und Nehmen. Wir Menschen bringen das System durcheinander, indem wir der Natur nicht so viel zurückgeben, wie wir von ihr nehmen. Mein konkreter, persönlicher Traum: Ich würde gerne aufs Land ziehen und autark leben. Auch jetzt ernähre ich mich fast ausschließlich von meinem eigenen Gemüse, verzichte komplett auf industriell verarbeitete Lebensmittel und kompostiere alle meine Reste.
Wo findest du jenseits deiner Arbeit Nähe zur Natur?
Ich gehe gern in den Ratinger Wald. Dort kann ich wunderbar abschalten.
1Info: Paul Statmets ist ein US-amerikanischer Mykologe, der mit seinem Unternehmen unterschiedliche Pilzprodukte anbietet.
Fun Fact: In der Sci-Fi-Serie „Star Trek Discovery“ gibt es eine nach dem Mykologen benannte Figur. Der fiktive Paul Statmets in der Serie ist Wissenschaftler, der sich mit Mykologie und Physik beschäftigt. Darüber hinaus ist er eine Hälfte des ersten queeren Paares in einer „Star-Trek“-Serie, das offen schwul lebt.
Interview: Ilona Marx
Fotos: Markus Luigs