„In der japanischen Esskultur ist das Schlürfen sehr wichtig. Wir essen sozusagen auch mit der Nase, um das Aroma der Speisen voll aufnehmen zu können.“ (Daisuke Klaus Ueda)
Das japanische Restaurant Soba-An liegt an der Klosterstraße im Herzen von Little Tokyo. Was viele nicht wissen: Hier ist Tamaki Hamano am Werk, Deutschlands einzige Meisterin für Soba. Das sind Buchweizennudeln, die aufwendig von Hand hergestellt werden. Neben Sushi und Ramen zählt Soba zu den Nationalgerichten Japans. Und außerhalb von Little Tokyo bekommt man diese meisterliche Qualität nur in Paris serviert – zumindest in Europa. Was sich hinter dieser japanischen Spezialität verbirgt, wie sie zubereitet wird und welchen Stellenwert Soba sowie die Esskultur in Japan haben, hat uns Tamaki Hamano im Interview verraten. Unterstützt und übersetzt von Daisuke Klaus Ueda, Head Manager der Brickny Europe.
Tamaki, wir sitzen gerade im Soba-An, einem Restaurant an der Klosterstraße, in dem Sie als Soba-Meisterin arbeiten. Seinen Namen hat es von der japanischen Spezialität, die hier zubereitet und serviert wird: Soba. Was steckt hinter dem Nationalgericht und welchen Stellenwert hat es in Japan?
Soba sind Nudeln, die hauptsächlich aus Buchweizenmehl bestehen. Ihr Ursprung liegt im alten China. In der Nara-Zeit (Das sind die Jahre von 710 bis 794. Anm. der Autorin) wurde Buchweizen nach Japan gebracht. Am Anfang wurde er vor allem als Heilkraut genutzt. Für uns Japaner*innen hat Soba daher eine lange Tradition und ist ein Nationalgericht, ähnlich wie Sushi und Ramen. Es gibt sehr viele Zubereitungsarten, verschiedene Brühen und unterschiedlich lange Kochzeiten. Auch das Verhältnis von gemahlenem Buchweizen und Weizenmehl kann variieren.
Dass man sich wie das Soba-An auf nur ein Gericht spezialisiert, ist in Europa eher ungewöhnlich, in der japanischen Esskultur allerdings üblich.
Das stimmt. Ein Teil der japanischen Kultur ist das Streben nach Meisterschaft, auch in unserer Küche. Soba ist für uns eine Kunst, die Zubereitungsweise nie völlig abgeschlossen, es gibt dabei keine 100 Prozent. Wir investieren daher sehr viel Zeit, ein Gericht immer mehr zu verbessern und weiterzuentwickeln. Wenn Deutsche japanisch Kochen lernen möchten, machen sie erst einmal Sushi. Wenn sie das gelernt haben, kochen sie vielleicht Ramen und dann etwas anderes. So etwas gibt es in der japanischen Kultur nicht: Wenn man bei uns etwas macht, dann möchte man es perfektionieren bis zur Meisterschaft.
Es gibt Soba-Nudeln fertig im Supermarkt zu kaufen, ähnlich wie Spaghetti. Kocht man diese Fertigprodukte in Japan häufig zuhause oder geht man lieber ins Restaurant, wenn man Soba essen möchte?
Natürlich kann man auch Nudeln aus dem Supermarkt kochen, aber wir essen lieber das Meisterstück in einem Restaurant. Jede Soba-Meisterin und jeder Soba-Meister stellt seine ganz speziellen Nudeln her und bereitet sie anders zu. Daher gibt es viele verschiedene Soba-Restaurants.
Ist es denn üblich, dass man in Japan selbst Soba-Nudeln herstellt?
Nein, das ist zu schwer. Man muss viel Zeit investieren, um die richtige Zubereitung zu lernen. Ich selbst mache schon seit zehn Jahren Soba-Nudeln.
Als das Soba-An vor einigen Jahren eröffnete, war es noch das einzige Restaurant dieser Art in Deutschland – es gab seinerzeit sogar nur ein einziges weiteres in Europa, in Paris. Wie sieht das inzwischen aus?
In Paris gibt es momentan drei Restaurants und in Düsseldorf ein weiteres in Rath. Das hat aber nur mittags geöffnet, und der dortige Koch war mal Lehrling im Soba-An.
Sie haben gerade erzählt, dass es sehr schwierig ist, Soba-Nudeln herzustellen. Wie kam es dazu, dass Sie Soba-Meisterin geworden sind?
Ich wollte gerne Köchin werden und konnte mich entscheiden, ob ich die Herstellung von Sushi, Udon, Ramen oder eben Soba lernen wollte. Als ich das erste Mal die Zubereitung von Soba-Nudeln ausprobierte, stellte ich fest, dass ich jedes Mal besser wurde und wollte daher meine Fähigkeiten weiterentwickeln und Meisterin werden.
Woher in Japan kommen Sie? Und wie sind Sie zum Kochen gekommen?
Ursprünglich komme ich aus Hokkaido. Dort gibt es eine Schule, an der man die Zubereitung von Soba lernen kann. Als ich 18 Jahre alt war, wollte ich zuhause ausziehen und meine Ausbildung zur Meisterin beginnen. Dazu habe ich zunächst einmal drei Jahre lang die Zubereitung von Soba gelernt und meinen Schulabschluss gemacht. In Japan gibt es einen Wettbewerb für alle Kochschüler*innen, an dem ich anschließend teilgenommen und den ersten Preis gewonnen habe. Das war für mich das Zeichen, dass ich weiter Soba machen sollte.
Was genau lernt man an der Soba-Schule? Drei Jahre erscheinen erst einmal als sehr lange Zeit, um die Zubereitung von Nudeln zu erlernen. Was ist das Besondere an der Herstellung von Soba?
Neben der reinen Zubereitung der Nudeln lernt man, wie man den Prozess vor Gästen im Restaurant präsentiert; die Performance ist in der japanischen Kultur sehr wichtig und daher Teil der Ausbildung. Diese dauert insgesamt vier Jahre, im letzten Jahr wechselt man in ein externes Restaurant. Ich habe in Tokyo gearbeitet und dort gelernt, wie man Soba als Gericht zubereitet, den Geschmack, die Konsistenz, die Beilagen und die Saucen perfektioniert. Wichtig ist, auf das Wasser, die Luftfeuchtigkeit und die Zusammensetzung des Mehls zu achten. Man braucht all seine Sinne, um möglichst gute Nudeln herzustellen.
Sie sprechen von Geschmack und Beilagen. Wie isst man traditionell diese japanische Spezialität?
Eigentlich gibt es bei dem traditionellen Soba-Gericht nur zwei Zubereitungen: heiße oder kalte Nudeln. Die werden mit einer Sauce aus Dashi (eine Brühe aus Fischflocken und Seetang, Anm. der Autorin) und Soja serviert. Das genaue Rezept bleibt mein Geheimnis. (Lacht.) Wir servieren aber unsere Buchweizennudeln auch mit Fleisch und Tempura, das eine traditionelle Beilage ist.
Gibt es eine besondere Spezialität auf der Karte?
Unsere Spezialität sind die Nudeln und wie ich, als Meisterin, sie herstelle. Das Buchweizenmehl wird dabei jedes Mal frisch gemahlen.
Sie arbeiten schon seit acht Jahren an der Klosterstraße. Wie kam es dazu, dass Sie nach Düsseldorf gekommen sind?
Ich wurde von dem Soba-Meister Tajayuki Miyashita, der das Soba-An seinerzeit eröffnet hat und auch immer noch hier arbeitet, nach Düsseldorf geholt. Es gab für mich noch viele andere Möglichkeiten, aber ich wollte gerne im Ausland arbeiten und ich kenne Frau Miyashita bereits sehr lange, da sie auch aus Hokkaido kommt. Somit habe ich mich also für Düsseldorf und dieses Restaurant entschieden.
Sie sind Deutschlands einzige Soba-Meisterin. Wie sieht das in Japan aus? Gibt es viele Frauen, die sich für diesen Beruf entscheiden?
Es gibt kaum Soba-Meisterinnen. Die Zubereitung von Soba ist sehr harte körperliche Arbeit, die Männern leichter fällt. Ich war aber so fasziniert von dieser Kultur, dass mich das nicht davon abhalten konnte, Meisterin zu werden. (Lacht.)
Gibt es in Japan auch Restaurants, die nicht von Meister*innen betrieben werden?
Natürlich. Viele nehmen zur Zubereitung eine Maschine, das ist in Japan sehr populär. Ich arbeite ausschließlich mit der Hand. Der Herstellungsprozess ist für mich Meditation, selbst wenn er sehr anstrengend ist. In einem Durchgang, der 40 Minuten dauert, stelle ich ungefähr 20 Portionen her. Das schaffe ich circa viermal am Tag.
Das wissen offenbar viele Gäste zu schätzen, die Schlange vor dem Restaurant ist oft lang. Was ist Ihre Zielgruppe?
Unser Publikum ist sehr international. Es kommen viele Japaner*innen, deutsche Gäste, und auch Menschen aus dem nahen Ausland. Viele von ihnen fahren von Holland oder Belgien drei Stunden nach Düsseldorf, nur um unser traditionell hergestelltes Soba zu essen.
Und was essen Sie gerne – und wo halten Sie sich in Düsseldorf auf, wenn Sie nicht arbeiten?
Wenn ich arbeite, esse ich fünfmal in der Woche im Restaurant. Soba-Nudeln sind sehr gesund, haben wenig Fett, viel Protein und Vitamine – sie sind fast wie Gemüse. Wenn ich freihabe, esse ich daher gerne auch mal etwas Ungesundes. Meine Lieblingsgerichte sind Würstchen und Hamburger. (Lacht.) Ich gehe manchmal im Gut Jägerhof essen, da gibt es sehr gutes Steak. Am liebsten bleibe ich aber zuhause bei meinen Kätzchen, mit denen ich sehr gerne spiele.
Interview: Katja Vaders
Fotos: Kenny Tran/Visit Düsseldorf
Info
Das Soba-An wurde ursprünglich von Tajayuki Miyashita an der Düsseldorfer Klosterstraße eröffnet, der hier nach wie vor als Meister seines Fachs arbeitet. Inzwischen gehört das Restaurant der Brickny Europe GmbH. Das Gastronomieunternehmen hat insgesamt 15 Restaurants in Düsseldorf und vertritt europaweit die Takumi-Brand. Im Jahr 2007 startete man mit dem ersten Ramen-Restaurant Takumi an der Immermannstraße, inzwischen gibt es allein in der Landeshauptstadt sieben Standorte. Dazu kommen 60 Franchiseunternehmen in Deutschland sowie in Spanien, Österreich, Belgien, den Niederlanden und Italien.
Brickny betreibt zudem noch weitere Gastronomiekonzepte in Düsseldorf wie das Kushitei, Tonkatsu Gonta, 1oder8 und Ah-Un.
Übrigens: Wer abends im Soba-An essen gehen möchte, sollte vorher einen Tisch reservieren.