„Ich bin eine Person, die definitiv das Internationale braucht. Ich liebe es, verschiedenen Kulturen anzugehören. Man kann aus ihnen so viel schöpfen.“
Robert Schumann ist nicht nur Namensgeber des jährlich stattfindenden Schumannfests der Tonhalle Düsseldorf. Seine romantische Musik und die seiner Zeitgenoss*innen stehen im Mittelpunkt des Festivals und liefern auch dort Inspiration, wo man es nicht erwartet. Demzufolge ist der aktuelle Titel „Romantisiere dich!“ mehr als schlüssig. Symphoniekonzerte, romantische Liederabende und Kammermusik werden flankiert von Musikprojekten, die Jazz und Tango, afrikanischen Gesang oder Hip-Hop mit Schumann und seinem Erbe verbinden. Und mit den Skyline-Konzerten in den obersten Etagen dreier Düsseldorfer Hochhäuser geht ein im letzten Jahr erfolgreich erprobtes Format in die zweite Runde. Maja Plüddemann, Assistentin des Tonhallen-Intendanten Michael Becker und studierte Kontrabassistin, leitet das Schumannfest seit vergangenem Jahr. Wir haben sie getroffen und interviewt.
„Romantisiere dich!“, so das Motto des Schumannfests der Tonhalle Düsseldorf. Welche Möglichkeiten hält das diesjährige Festivalprogramm bereit, dem Aufruf zu folgen?
„Romantisiere dich!“ ist eine Einladung an alle, dem romantischen Geist nachzuspüren, den Robert und Clara Schumann in dieser Stadt verkörpert haben und bis heute verkörpern. Im Mittelpunkt steht die romantische Musik. Doch das Festival bietet vielfältige musikalische Inhalte. Robert Schumann war ein unheimlich interessierter und innovativer Mensch, er stand neuen Ideen, anderen Genres und Kulturen sehr offen gegenüber. Ich stelle mir immer gerne die Frage: ‚Was würde Robert Schumann, würde er heute leben, zu den Orchestern, Ensembles und speziell auch zu den ausgefalleneren Formaten des Schumannfests sagen?‘ Wichtig ist uns aber auch das romantische Feeling, die besondere Deko, das frühsommerliche Ambiente. Die Besucher*innen sollen sofort spüren: Es ist Schumannfest, und dass wir uns erlauben, in die Gefühle zu gehen.
Sie haben deutsche Wurzeln, sind aber in Südafrika geboren und aufgewachsen und haben dort auch Ihr Musikstudium begonnen. Zum Master sind Sie ans Mozarteum nach Salzburg gewechselt und waren später Mitglied verschiedener portugiesischer Orchester. Spiegelt sich Ihr „Kosmopolitentum“ in Ihrer Arbeit als Leiterin des Schumannfests?
Ich bin eine Person, die definitiv das Internationale braucht. Ich liebe es, verschiedenen Kulturen anzugehören, und habe nicht nur lange in Lissabon gelebt, sondern war auch viel in Südamerika unterwegs. Ein Teil meiner Familie stammt aus dem Baltikum. Ich finde, man kann aus den verschiedenen Kulturen so viel schöpfen.
Wer ins Programmheft schaut, ist womöglich überrascht, dort einen Tangoabend samt Tanzveranstaltung zu entdecken, der „The Edge of Tango“ lautet. Das Sonico Tango Oktett aus Brüssel spielt unter anderem Astor Piazzolla und Eduardo Rovira. Anschließend: Milonga in der Rotunde! Tango und Schumann, wie passt das zusammen?
Tatsächlich wird das Sonico Tango Oktett ein Werk von Robert Schumann interpretieren! Ich finde es immer wieder faszinierend, wie hervorragend sich Schumann in andere Genres transferieren lässt, davon zeugt auch der Abend mit der Sängerin Lia Pale und ihrem wunderbaren Jazzquintett. Beim Tango ist es einfach so, dass sich der Geist von Schumann stark wiederfinden lässt. Robert Schumann steht für eine absolute Ehrlichkeit und große persönliche Offenheit. Er verzichtet auf jeden Filter zwischen sich und dem Publikum, er ist er selbst und pflegt kein Image. Schumann hat seine tiefsten Gefühle wirklich offengelegt.
Offenheit und ungefiltertes Erleben dürfen in der Tonhalle immer wieder im Fokus stehen. Beispielsweise wenn der südafrikanische Cellist Abel Selaocoe und das Manchester Collective mit ihrem gemeinsamen Programm „Sirocco“ zu Gast sind. Es ist ein rasanter Tripp von Strawinsky und Haydn hin zu afrikanischem Gesang und Body-Percussion, mit einem Abstecher zum dänischen Volkslied.
Abel Selaocoe verbindet die Kulturen wie kaum ein zweiter. Er ist in Südafrika geboren und aufgewachsen, bringt seine Musiktradition mit. Zugleich ist er ein erstklassiger, klassisch ausgebildeter Cellist. Hinzu kommt seine Stimme, sein Kehlkopfgesang. Das ist wie eine Naturgewalt, das muss man erleben. Der Künstler und das Manchester Collective, das aus Streichern, elektrischer Gitarre und verschiedenen Schlagzeuginstrumenten besteht, sind ein wahnsinnig interessantes und dynamisches Ensemble. Wir finden, sie müssen in dieser Stadt gehört werden, und wir haben uns bewusst die Freiheit genommen, sie zum Schumannfest einzuladen.
Romantik, das bedeutet auch Wertschätzung der Natur. Stegreif – The Improvising Symphony Orchestra ist mit der „Symphony of change“ zu Gast. Dabei geht es um Perspektiven der Nachhaltigkeit, ein Thema, das die Tonhalle in dieser Saison auch im Rahmen der Sternzeichenkonzerte mit dem „Green Monday“ angeht.
Wir haben in dieser Spielzeit den Fokus sehr stark auf die Nachhaltigkeit gelegt – konkret darauf, mit welchen Maßnahmen wir in unserem Betrieb nachhaltiger werden können. Da passte die „Symphony of change“ hervorragend dazu! Im Mittelpunkt steht die Frage: Was müssen wir verändern, damit es auf unserem Planeten weitergeht? Stegreif aus Berlin ist ein Ensemble, das sich intensiv mit gesellschaftlichen Themen befasst. Gleichzeitig haben wir einfach 30 unfassbar tolle Musiker*innen auf der Bühne – 30 Solist*innen, die 90 Minuten komplett ohne Dirigent*in und ohne Noten spielen, außerdem ohne Stühle, denn sie bewegen sich im ganzen Raum. Neben Werken Clara Schumanns prägen das Programm beispielsweise auch solche von Hildegard von Bingen und Wilhelmine von Bayreuth, die von weiblichen Mitgliedern dieses Orchesters rekomponiert wurden: Zunächst erklingt das jeweilige Musikstück in seiner Originalform, verändert sich aber dann und verwandelt sich in etwas Zeitgenössisches. Da hören wir Jazz, wir hören moderne Musik, Latin Beats, verschiedene Stilrichtungen, denn auch dieses Ensemble ist multinational und alle bringen ihre Tradition mit ein.
Im Projekt „Schumann Re:sampled“ verbinden sich die Kompositionen von Clara und Robert Schumann mit Hip-Hop.
Wir haben eine Gruppe von Hip-Hop-Künstler*innen gebeten, sich einerseits mit der Musik, andererseits mit den Lebensthemen von Robert und Clara Schumann auseinanderzusetzen. Die waren Feuer und Flamme. Ich bin sehr gespannt auf dieses Konzert.
Welche Bedeutung haben Clara und Robert Schumann für die Stadt Düsseldorf?
Clara und Robert Schumann sind als Künstler*innenehepaar in diese Stadt gekommen und haben das Musik- und das Kulturleben unheimlich dynamisiert. Sie waren hervorragend vernetzt, ihr Zuhause war Treffpunkt für Musikschaffende, Dichter*innen und Schriftsteller*innen, Künstler*innen der Malerschule. Es fand ein großer Ideenaustausch statt, auch über politische und gesellschaftliche Themen, also weit über die Musik hinaus. Unsere Skyline-Konzerte sind ein Stück weit eine Hommage an diese Salonkultur. Wie bei der Premiere im letzten Jahr wird es auch diesmal wieder drei Kammermusikabende über den Dächern von Düsseldorf geben – ein ganz besonderes Konzerterlebnis und eine Gelegenheit für Publikum und Künstler*innen, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Info
Das Schumannfest 2024 hat begonnen. Noch bis zum 23. Juni werden in der Tonhalle Düsseldorf und in fünf weiteren Locations – darunter Palais Wittgenstein und Maxkirche – Konzerte präsentiert, die die „Freiheit der Musik feiern“ und „eine lustvolle Brücke von der Romantik ins Heute“ schlagen, so die Ankündigung. Das gesamte Festivalprogramm umfasst rund 20 Konzerte.
Weiter Informationen unter tonhalle.de.
Interview: Eva Westhoff
Fotos: Pressefotos Tonhalle & Visit Düsseldorf