
Frauenfußball galore – 20 Jahre Rotweiß Blutgretchen aus Düsseldorf
„Wir sind in unseren Dreißigern. Im Gegensatz zu uns, haben die Jüngeren oft sehr früh angefangen, Fußball zu spielen – und es werden immer mehr.“
Für den Frauenfußball ist offenbar ein neues Zeitalter angebrochen. Die FIFA meldete im letzten Jahr einen Zuschauer*innen-Rekord in den Stadien während der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland. Und die großen internationalen Vereine investieren vermehrt in ihre weiblichen Mannschaften. Aber wie sieht die Entwicklung bei den Freizeitkickerinnen aus? Wir haben Rotweiß Blutgretchen beim Training besucht, uns umgeschaut und umgehört. Denn die Thekenmannschaft feiert im Sommer ihr 20-jähriges Bestehen.

Dienstagabend, 19:30 Uhr. Auf einem der Kunstrasenplätze des SV Oberbilk 09 steht die Sonne schon tief, als nach und nach immer mehr Frauen zum Training der Freizeitfußballmannschaft Rotweiß Blutgretchen eintrudeln. Die meisten sind mit dem Fahrrad gekommen und tragen – passend zum Mannschaftsnamen – rote Fußballkleidung. Auf ihren Trikots prangt das Logo des Teams: die Illustration einer bezopften Fußballerin, selbstverständlich in Rotweiß gekleidet. Während der Rest der Blutgretchen sich warmläuft, ziehe ich mich mit dem Trainer der Mannschaft, Matthias Grzegorczyk, genannt Mattes, sowie zwei der Spielerinnen, Annemarie Mohring und Carmen von Beyme Cortés, zum Interview in eines der Tore zurück. Annemarie und Carmen sind schon vergleichsweise lange bei den Blutgretchen, seit sieben beziehungsweise sechs Jahren. Insgesamt sind aktuell ungefähr 30 Frauen dabei, von denen 20 regelmäßig zum Training erscheinen.

Zwei Jahrzehnte Frauenfußball
In diesem Jahr feiern die Blutgretchen ein rundes Jubiläum. Es war der Sommer vor genau 20 Jahren während der Fußballeuropameisterschaft 2004 als Griechenland überraschenderweise Europameister wurde. Damals entschlossen sich einige junge Frauen − in den Räumlichkeiten des ehemaligen Kunst- und Kulturvereins Damenundherren e.V. − eine Thekenmannschaft zu gründen. Sie wollten es befreundeten Männern gleichtun, die bereits seit geraumer Zeit in ihrer Freizeit Fußball spielten und sich im benachbarten Vereinswohnzimmer des Metzgereischnitzel e.V. „Brause“ unter dem passenden Namen „Blau Blau Brause“ zusammengefunden hatten. Da die Frauen allesamt in der Kreativbranche tätig waren, hatten sie schon einen Mannschaftsnamen sowie das dazugehörige Logo entworfen, bevor sie das erste Mal trainierten. Die meisten von ihnen hatten noch nie Fußball gespielt, und sie merkten schnell, dass ihre Probekicks auf der Ballonwiese im Düsseldorfer Volksgarten etwas holprig vonstattengingen. Wenige Wochen später sprachen sie bei einem Bier Mattes, Mitglied bei „Blau Blau Brause“, an, ob er sie nicht künftig trainieren wollte. Der war sofort bereit, Trainingseinheiten zu übernehmen und suchte der Mannschaft einen Platz beim Verein Flingern 08; wenig später organisierte er die Teilnahme an Turnieren und Freundschaftsspielen mit anderen Frauenmannschaften.

Von den Gründungsmitgliedern der Blutgretchen ist keine mehr dabei. Eine Konstante ist jedoch geblieben: Mattes ist immer noch Trainer des Teams – und zwar über all die Jahre hinweg ehrenamtlich und engagiert. Die Freude, andere zu trainieren, hat er schon früh für sich entdeckt. „Im Alter von 17 Jahren war ich Jugendtrainer beim Badminton, später habe ich Mannschaften in der A- und B-Jugend im Fußball trainiert. Allerdings immer Jungs, und die waren mir in ihrer Art manchmal zu grob. Mit den Mädels war das anders und ich dachte mir: ‚Schauen wir mal, was daraus wird.‘ Und es ist einiges daraus geworden. Wir haben sogar einmal ein Turnier in Köln gewonnen“, so Mattes stolz.
Auch wenn es große Schwankungen in der Zahl der Spielerinnen gab, blieb die Mannschaft über all die Jahre bestehen. Zunächst kamen Frauen über Mund-zu-Mund-Propaganda zum Training, in Zeiten von Social Media funktioniert die Neuwerbung von Mitgliedern auch über Instagram. Was die Fertigkeiten auf dem Platz angeht, hat sich bei den Blutgretchen seit den Anfängen viel getan. Die meisten neuen Spielerinnen bringen nämlich Fußballerfahrung mit, wenn sie zum Probetraining erscheinen.

Gut ausbalanciert
Annemarie Mohring kam relativ spät zum Frauenfußball − während ihres Studiums in Leipzig, wo sie zeitweise in einem Verein spielte. Als sie nach Düsseldorf zog, machte sie sich sofort auf die Suche nach einem Fußballteam, zunächst erfolglos. Über den Hochschulsport der Heinrich-Heine-Universität ist sie schließlich auf die Blutgretchen gestoßen. Carmen von Beyme Cortés wiederum spielte schon als kleines Mädchen Fußball. „Das Kicken habe ich von meinem großen Bruder gelernt. Ich bin in Spanien großgeworden, dort ist Fußball gängiger Schulsport.“ In einem Verein wollte sie wie die meisten Blutgretchen allerdings nicht mehr spielen. „Zweimal in der Woche trainieren und jedes Wochenende ein Spiel – dafür hat man einfach keine Zeit mehr, wenn man arbeitet.“ Annemarie ergänzt: „Das bedeutet Druck, dem man sich parallel zum Berufsleben nicht mehr aussetzen möchte.“ Die Blutgretchen böten den Spielerinnen stattdessen eine „perfekte Balance“. „Man fühlt sich auch hier verpflichtet, allein wegen Mattes. Er macht sich große Gedanken und passt seine Übungen unseren Bedürfnissen an“, erzählt Carmen. Auch Annemarie unterstreicht, wie engagiert Mattes sich einbringe. „Er ist das dienstälteste Blutgretchen und wir spüren immer wieder, wie gerne er uns trainiert.“

„Es gibt in Düsseldorf leider keine Bunte Liga für Frauenfußball.“
Für die Frauen steht zwar der Spaß im Mittelpunkt, dennoch freut sich die Mannschaft, sich hin und wieder mit anderen Frauenmannschaften messen zu können. Die Gelegenheit dazu bietet sich im Frauenfußball allerdings eher selten. „Es gibt in Düsseldorf leider keine Bunte Liga für Frauenfußball“, erklärt Carmen. Es bleiben sporadische Freundschaftsspiele mit anderen Kickerinnen aus der Region. In Düsseldorf gäbe es nur eine weitere Elf, die anderen seien aus Köln. Hinzu kommen zwei oder drei Turniere im Jahr. Dazu gehört das jährlich stattfindende Hallenturnier „Düsselcup“ und ein Turnier in Kassel, das ein ganzes Wochenende läuft und die Blutgretchen gerne zum Mannschaftsausflug nutzen.
Obwohl sie sich nach wie vor ein größeres Angebot wünschen, hat sich Frauenfußball aus ihrer Sicht spürbar verändert. „Wir sind in unseren Dreißigern. Im Gegensatz zu uns, haben die jüngeren Frauen oft sehr früh angefangen, Fußball zu spielen – und es werden immer mehr“, sind sich Annemarie und Carmen einig.

In der Öffentlichkeit ist Frauenfußball in den letzten Jahren immer populärer geworden; auch Carmen und Annemarie schauen ihn häufiger und gehen regelmäßig zusammen ins Stadion. Erst kürzlich haben die Blutgretchen einen gemeinsamen Ausflug zum DFB-Pokalfinale der Frauen nach Köln unternommen. „Die Qualität ist extrem gut geworden. Die großen internationalen Vereine können es sich nicht mehr leisten, Frauenfußball zu ignorieren. Dementsprechend haben sie richtig gute, sehr qualifizierte Mannschaften aufgebaut“, so Carmen. Vereine wie Bayern München oder VFL Wolfsburg legen immer mehr Wert darauf, ihre weibliche Elf zu pushen. Hinzukommt die wachsende Popularität der Frauennationalmannschaft und eine Weltmeisterschaft im letzten Jahr, die neue Zuschauer*innenrekorde aufstellte. Eine Entwicklung, die sich hoffentlich bald bei den Vereinen und ihren Frauenteams und auch im Freizeitfußball niederschlägt.

Vorfreude auf die UEFA EURO 2024
Trotz des großen Interesses am Frauenfußball schlägt das Herz der Blutgretchen auch für männlichen Teams – und die UEFA EURO 2024. „Wir haben Karten für das Vorrundenspiel Türkei gegen Georgien in Dortmund“, freut sich Annemarie. Zudem möchten Carmen und sie möglichst viele TV-Übertragungen des Turniers sehen. Gerne zusammen mit der Mannschaft, zum Beispiel im Vereinsheim des SV Oberbilk. Auch Trainer Mattes wird dabei sein. Wann geht er eigentlich in „Rente“? „Wenn sich ein Blutgretchen vorstellen kann, irgendwann mal weiterzumachen, würde ich mich freuen. Ein bestimmter Fußballstil sollte nämlich schon bleiben“, erklärt er augenzwinkernd.
Info
Wer Lust auf ein Probetraining hat oder die Blutgretchen zu einem Turnier oder Freundschaftsspiel einladen möchte, findet weitere Informationen unter @blutgretchen_duesseldorf.
Text: Katja Vaders
Foto: Uwe Kraft