
Omas gegen rechts – Eine Begegnung mit Sibylle Banach und Regina Hunke
Interview
„Aus meiner Sicht brennt es. Die Demokratie ist gefährdet. Wir müssen uns wehren, gegen die Menschen, die versuchen sie abzuschaffen.“ Regina Hunke, Omas gegen rechts
Omas gegen rechts kennen alle, die schon einmal auf einer Demonstration gegen rechts waren. Auch in Düsseldorf gibt es die Organisation seit einigen Jahren in wechselnden Konstellationen. Wir haben die „Omas“ Regina Hunke und Sibylle Banach Anfang Januar in Gerresheim getroffen. Seitdem haben sich die politischen Meldungen überschlagen und es sind Hunderttausende in ganz Deutschland gegen rechts auf die Straßen gegangen. Wir haben mit den beiden Aktivistinnen über ihr Engagement, ihre Befürchtungen und Mut gesprochen.

Sibylle und Regina, ihr engagiert euch bei Omas gegen rechts. Eure Banner und Schilder fallen insbesondere auf Demonstrationen auf, wodurch die Organisation große Sichtbarkeit gewonnen hat. Was genau macht ihr, außer zu demonstrieren?
Regina: Wir sind nicht nur auf Demos, sondern möchten Geschichte lebendig halten. Für mich ist das zentrale Thema, die Demokratie zu verteidigen. Ich habe zum Beispiel eine Fahne, auf der Omas gegen rechts steht, am Fahrrad. Einfach um Menschen zu provozieren, mich anzusprechen. Die fragen mich: „Warum haben Sie diese Fahne am Fahrrad?“ Und darum geht es: ins Gespräch zu kommen. Selbst wenn ich angepöbelt werde, nutze ich die Gelegenheit, um mit den Umstehenden zu sprechen. Es geht mir nicht darum, die Pöbelnden zu überzeugen, sondern Fragen aufzuwerfen.
Gibt es auch konkrete Anlässe, die ihr für Aktionen auswählt?
Sibylle: Wir hatten im letzten Jahr am 1. Mai am Johannes-Rau-Ufer einen Stand, der gut besucht war. Am 11. April, dem Jahrestag der Bücherverbrennungen in Düsseldorf, hatten wir am Schadowplatz einen Stand. Dort haben wir aus Werken von Schriftsteller*innen vorgelesen, deren Bücher verbrannt worden sind. An Tagen wie dem 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Ausschwitz, machen ebenfalls Aktionen.
Ich nehme an, dass euer Geburtsjahr und eure Sozialisation für euer Engagement eine Rolle spielen.
Sibylle: Ja, genau. Ich bin 1943 geboren. Das hat mich sehr geprägt. Regina und ich, wir haben sehr unterschiedliche Lebensläufe. Ich bin noch während des Krieges geboren. Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, habe ich gemerkt, wie traumatisiert ich tatsächlich bin. Obwohl ich den zweiten Weltkrieg nicht bewusst erlebt habe.

Wo bist du geboren?
Sibylle: In Berlin, wo ständig Bombenalarm war − Tag und Nacht. Ich bin in der Nachkriegszeit als Flüchtlingskind in einem Dorf aufgewachsen und habe furchtbare Erinnerungen an diese Zeit. Die Stimmung war damals noch sehr braun, besonders auf dem Dorf, wo sich wenig verändert hatte im Gegensatz zu den Städten. Auf dem Dorf blieb alles wie es war. Meine Eltern waren Nazis, aber es hat lange gedauert, bis ich mich getraut habe, mich dazu zu äußern. Meine Geschwister haben sich mit meinem Vater gezofft, aber ich lange Zeit nicht, obwohl ich Probleme mit seinen Aussagen hatte.
Regina, wie war das bei dir?
Regina: Ich bin 1957 geboren und in den 1960er Jahren groß geworden. Die Sechziger waren noch stark von Altnazis geprägt. Die hatten noch überall Funktionen, die haben die Kultur bestimmt. Mein Vater hatte damals eine Tankstelle, und dort trafen sich Männer, Kriegsversehrte, und erzählten vom Krieg. Oder es gab Geburtstage, wo die Männer, dann angetrunken, ihre Frontgeschichten zum Besten gaben. Mein Vater war sehr jung, gerade 18 Jahre alt, als er eingezogen wurde, nach Stalingrad. Er hatte Glück, dass er dort rausgekommen ist. Ich habe als Resultat daraus ein tiefsitzendes Gefühl gegenüber Ungerechtigkeit.
Wie hat das deinen weiteren Lebensweg bestimmt?
Regina: Ich habe Sozialwissenschaften und Geschichte studiert. Als Historikerin habe ich einige Jahre in Rom gelebt und dort Stadtführungen gemacht. Auch zum Thema ‚Widerstand gegen Faschismus und Krieg‘. Viele wissen gar nichts über den Terror, den die Nazis in Italien ausgeübt haben. Ich habe Gespräche mit Partisanen geführt, das hat mich auf jeden Fall nachhaltig beeindruckt.

Aufklärung und Information scheinen für euch zentrale Anliegen zu sein. Ich habe gelesen, dass ihr auch in Schulen geht und als Zeitzeuginnen aufklärt. Wie läuft das?
Regina: Ein konkretes Beispiel ist die Berufsschule in Mettmann, die eine sehr engagierte Lehrer*innenschaft hat. Die entsprechende regionale Gruppe Omas gegen rechts, zu der ich gehöre, hat eine Patenschaft für die Schule übernommen. Das heißt, wir gehen als Zeitzeuginnen dorthin und die Jugendlichen können uns Fragen zum Nationalsozialismus stellen. Die Schüler*innen reagieren in der Regel sehr betroffen. Die werden ganz still und fangen irgendwann an, Fragen zu stellen. Ab dem Punkt mache ich mit ihnen Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Es geht darum, dass man sich wehren kann, dass man nicht mundtot gemacht wird.
Bald stehen Bundestagswahlen an. Ich nehme an, dass ist für Omas gegen rechts von großer Relevanz. Gibt es konkrete Pläne, wie ihr euch einbringen könnt?
Sibylle: Ja, wir wollen gezielt Schulen anschreiben, besonders die, wo die AfD bei Probeabstimmungen gut abgeschnitten hat. Wir möchten in den Unterricht gehen und uns verteilen, um zu informieren und die Demokratie zu stärken. Und wir werden natürlich an Demonstrationen teilnehmen.
Der Ton hat sich in den letzten Monaten erneut verschärft und teilweise gibt es Übergriffe beispielsweise auf Wahlhelfer*innen. Habt ihr manchmal Bedenken – buchstäblich – Flagge zu zeigen?
Sibylle: Ich habe nicht die Fahne, wie Regina, aber ich habe den Button mit der Aufschrift Omas gegen rechts. Und ich muss sagen, in Berlin habe ich mich nicht getraut, den beispielsweise in der S-Bahn zu tragen. Wir sind beim Argumentationstraining der Gruppe darauf hingewiesen worden, unsere Demoschilder und ähnliches für Bahnfahrten zu verpacken, damit man sie nicht sieht und auch die Buttons nicht zu tragen.

Das finde ich krass.
Sibylle: Ja, das ist es. Aber zum Beispiel in Stadtteilen wie dem Märkischen Viertel, wo viele die AfD wählen, hätten Leute aggressiv reagieren können. In Düsseldorf ist das anders. Sei es die Kassiererin im Supermarkt, in der Straßenbahn oder auch in der Bäckerei, die Leute reagieren positiv und sagen: ‚Der Button, der ist gut.‘ Das passiert häufig. Die Menschen sind froh zu sehen, das andere sich gegen rechts einsetzen. Das ist mit ein Grund, aus dem viele neue Oma-Gruppen entstehen.
Kann man sagen, dass ihr Menschen Mut macht?
Sibylle: Ich denke schon. Ja. Das war auch für mich wichtig, als ich mich Omas gegen rechts angeschlossen habe. Ich habe gemerkt, ich bin nicht allein. Ich muss nicht allein gegen rechts kämpfen. Es war im Januar 2024 toll, dass so viele auf die Straße gegangen sind. Und gilt auch jetzt wieder, zu sehen, dass überall in Deutschland Menschen demonstrieren. Düsseldorf stellt sich quer macht da sehr viel und war für mich noch vor Omas gegen rechts etwas, das mir positiv aufgefallen ist. Mittlerweile schließen wir uns mit denen zusammen.
Regina: Ich habe ein schönes Zitat, das gut hierhin passt: ‚Etwas tun macht glücklicher und mitreden ist klüger als andere einfach machen zu lassen.‘ Das stammt von der Journalistin Hanna Gersmann.
Einen besseren Abschluss könnten wir für unser Gespräch kaum finden. Aber eines interessiert mich noch: Was macht ihr, wenn ihr euch nicht für Omas gegen rechts engagiert? Gibt es einen Ort, wo ihr gerne entspannt und den ihr mit uns teilen möchtet?
Regina: Ich wohne bei Hubbelrath und es gibt eine alteingesessene Kneipe, das Kaiserhaus, die von einer neuen Inhaberin übernommen wurde. Da gehe ich gerne hin.
Sibylle: Ja, da bin auch gerne. Von Gerresheim aus kann man dorthin durchs Rotthäuser Bachtal laufen – über die Anhöhe, dann über die Felder und durch den Wald. Das sieht schön aus, fast als wäre man in den Bergen.
Regina: Das Essen ist, seitdem die neue Besitzerin übernommen hat, auch viel besser. Es gibt großartige Pfannkuchen. Oder Klassiker wie Schnitzel und Saisonales. Ein richtiges Ausflugslokal.
Info
Ursprünglich wurde Omas gegen rechts 2017 in Österreich gegründet, als die FPÖ erneut Teil der Regierung wurde. Sibylle Banach ist auf die Gruppe zum ersten Mal in Berlin aufmerksam geworden, wo sie einige Jahre bis 2022 gelebt hat. Sibylle lebt mittlerweile in Gerresheim und hat 2023 mit zwei weiteren Frauen, die Gruppe wiederbelebt. Zu dem Zeitpunkt war die Gruppe nur noch auf Facebook aktiv. Regina Hunke bezeichnet sich als Oma an der Grenze zwischen Mettmann und Gerresheim. Die studierte Historikerin hat lange Zeit in Rom gelebt und engagiert sich als Oma gegen rechts beispielsweise in der Berufsschule Mettmann.
omasgegenrechts.de
Text: Cynthia Blasberg
Fotos: Kristina Fendesack