Von der Seine an den Rhein
Die Modedesignerin Stephanie Hahn hat alle Hände voll zu tun. Neben ihrer eigenen Kollektion 22/4_HOMMES_FEMMES betreibt sie noch den Multilabel-Concept-Store Live Lab Studios in Unterbilk. Hahn bietet hier sorgsam selektierte Mode internationaler Labels an, außerdem ausgewählte Interior-Design-Objekte, Schmuck und Kosmetik, flankiert von ihren eigenen Entwürfen. Bis vor fünf Jahren befand sich der Firmensitz ihrer Marke in Paris, sie selbst pendelte zwischen Rhein und Seine. Nun konzentriert sich Stephanie Hahn jedoch wieder voll und ganz auf Düsseldorf. Warum das so ist, erklärt die Rheinländerin im Gespräch.
Stephanie, was bedeutet dir Düsseldorf?
Düsseldorf steht für mich zunächst einmal für Heimat. Ein Großteil meiner Familie lebt hier, ich bin hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Ich mag die Größe der Stadt sehr. In Paris oder Berlin musst du für Erledigungen gerne einmal 45 Minuten für den Weg einplanen. In Düsseldorf sind es höchstens 20 Minuten. Und trotzdem habe ich hier alles, was eine internationale Metropole ausmacht. Denk nur einmal an die Mode: Hermès, Gucci, Prada, Louis Vuitton und Tiffany – all das, wofür viele Touristen nach Paris fahren.
Und abseits von Kö und Co. – was zeichnet Düsseldorf außerdem aus?
Der große Fluss mitten in der Stadt vermittelt eine fast ländliche Idylle. Du packst einen Picknickkorb und gehst auf die Niederkassler Rheinwiesen. Dann ist man mitten in der Stadt direkt in der Natur. Dazu noch die hohe Dichte an Kunst- und Kulturinstitutionen. In welcher Stadt kann man innerhalb eines Tages so viele unterschiedliche Dinge erleben? Nicht zu vergessen: der internationale Flughafen, der sich so nah am Zentrum befindet und von der Innenstadt nur eine Viertelstunde entfernt ist. Zeit ist für mich das höchste Gut und ich genieße es, hier so wenig Zeit für die Wege von A nach B zu benötigen. In Düsseldorf bin ich einfach viel produktiver.
Hängst du auch an Düsseldorfer Traditionen?
Ja, ich mag die Brauhaus-Kultur in der Altstadt. Als wir Kinder waren, haben sich unsere Eltern an den Wochenenden immer mit Freunden in der Brauerei getroffen und wir Kinder sind in der Altstadt rumgelaufen. Das war toll. Wenn man nicht von hier kommt, fällt es einem noch mehr auf: Die Düsseldorfer gehen beim ersten Sonnenstrahl raus und genießen ihr Leben.
„Kraftwerk ist nicht umsonst hier gegründet worden“
Was hat dich kulturell geprägt?
Ganz klar die Musik- und Kunstvergangenheit von Düsseldorf. Kraftwerk ist nicht umsonst hier gegründet worden. Es gibt und gab hier immer sehr spannende Einflüsse. Manche mögen sich erinnern: In der Mata-Hari-Passage bekamst du schon in den 80ern Plateauschuhe bis Größe 45, der Besitzer des dortigen Cafés lief immer mit einem Papagei auf der Schulter herum und der Plattenladen war legendär – so wie heute der Salon des Amateurs, der ja als Kunstprojekt gestartet ist. Oder ein Ort wie die Bar Olio, die es seit Jahrzehnten gibt und die sich ihren Charme bewahren konnte, obwohl sich drum herum alles verändert hat.
Du hast im Coronajahr 2020 deinen Concept Store Live Lab Studios eröffnet. Hättest du in Paris, wo deine Marke bis 2017 beheimatet war, nicht mehr Publikum für eine so spezielle kuratierte Auswahl an Produkten wie beispielsweise die Interior Design Objekte von Dirk van der Koij gefunden?
Für mich stand von Anfang an fest, dass ich Live Lab Studios nur in Düsseldorf verwirklichen wollte. Ich spüre hier eine neue Energie und Vielfalt, sehe viele Leute, die gute Ideen haben und diese Ideen in spannende Projekte überführen. Und auch vonseiten der Stadt gibt es die Bereitschaft, etwas zu tun. In Düsseldorf etwas fernab des Mainstreams zu etablieren, ein neues Shoppingerlebnis zu schaffen, erschien mir sehr reizvoll. Besonders, da Düsseldorf bei vielen den Ruf hat eher konventionell zu sein und ein Konzept wie meines hier so doch eher unerwartet ist und positiv überrascht als vielleicht in Städten wie Paris oder Berlin. Zudem ist natürlich die Konkurrenz nicht so groß wie in diesen Städten. Wenn du hier einen unkonventionellen Weg gehst, fällst du einfach eher auf und wirst dann auch oft mit Begeisterung aufgenommen.
Du wolltest auch einen kulturellen Ort schaffen.
Ja, wir beteiligen uns beispielsweise am strike a pose-Festival und haben in diesem Zusammenhang in den letzten Wochen einen Workshop zu dem Thema angeboten, wie Sprache unsere Wahrnehmung der Geschlechterrollen beeinflusst. Außerdem sind wir eine Off-Location der DC Open, des jährlichen Galerienrundgangs in Düsseldorf und Köln, und stellen Student*innen der Kunstakademie aus. All das ist Teil meines Konzepts.
Ist Düsseldorf Modestadt?
Das ist für mich nicht so leicht zu beantworten. Natürlich gibt es hier die Tradition der großen Showrooms, insofern: ja! Aber ich würde mir wünschen, dass die Avantgarde-Modeszene hier noch weiter wächst und die interessanten Möglichkeiten, die Düsseldorf als Standort bietet für sich entdeckt und nutzt. Ich spüre die Bereitschaft der Konsument*innen für neue, unabhängige Labels.
Was hat dich in den letzten Monaten besonders inspiriert?
Die Ando Future Studios. Eine Gruppe junger Designer*innen und Künstler*innen hat sich dort zusammengefunden. Ein Kollektiv, das schnell festgestellt hat, dass es gemeinsam mehr bewegen kann.
Wohin zieht es dich, wenn du nicht arbeitest?
Ich bin am liebsten mit meinem Hund am Rhein unterwegs, zwischen Oberkassel und Heerdt. Die Langen Foundation liebe ich nicht zuletzt für die grandiose Architektur von Tadao Ando. Dort komme ich zur Ruhe. Mein Lieblingsrestaurant ist das Polis auf der Dominikanerstraße, das ja zum Kult-Gyros-Imbiss Akro gehört, aber eben ein richtiges griechisches Restaurant mit sehr authentischer, frischer Küche ist. Dort ist es immer sehr lebendig und du triffst Gott und die Welt!
Interview von Ilona Marx und Markus Luigs (Fotos).
Dieser Beitrag ist gefördert durch REACT-EU.
Bilder: Düsseldorf Tourismus