Eingang zum Plattenladen Minty Vinyl. Vor dem Schaufenster sitzen ein Mann und eine Frau.

Put the needle on the record – Zu Besuch im Minty Vinyl

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„Ich liebe alles an dieser Stadt.“
Ein Interview mit Günter Herke

Minty Vinyl ist ein Geheimtipp – und doch weit über die Grenzen von Düsseldorf hinaus bekannt. Im Vintage-Plattenladen von Günter Herke geben sich Musik-Freundinnen aus vielen Teilen Europas die Klinke in die Hand. Eingeweihte kommen gezielt nach Flingern, ob für eine seltene Pressung einer Kraftwerk-Scheibe oder für einen inspirierenden Austausch mit dem Sammler und Händler. Günter Herke ist übrigens kein unbeschriebenes Blatt in Düsseldorf. Bevor er Minty Vinyl eröffnete, betrieb er gemeinsam mit Andreas Ziegler die Galerie Slowboy, wo Künstlerinnen zum Beispiel ihr Plattencover-Art Work ausgestellt haben. Im Interview verrät der Plattenpapst, der tief in der Indie-Szene der Stadt verwurzelt ist, seine Düsseldorf Favourites.

Minty Vinyl wurde von Olaf Deharde, Fotograf und Reise-Podcaster aus Hamburg, aufs Höchste gelobt. Er sprach von seinem Lieblingsplattenladen und hat dir sogar ein paar Scheiben zum Tausch mitgebracht. Bekommst du häufig so enthusiastisches Feedback?
Lustig, ich erinnere mich an ihn. Obwohl er sich mir nicht als Journalist vorgestellt hatte. Tatsächlich bekomme ich oft Komplimente wegen meiner Einrichtung, die von meiner Frau Alexa Müller stammt. Sie ist mit ihrem Interior Design Store in den vorderen Räumen zu Hause. Mir ist einfach wichtig, dass die Leute sich hier wohlfühlen. Während der Pandemie, als wir geschlossen hatten, haben wir es uns schön gemacht – auch um uns selbst wohlzufühlen. Seither bekommen wir viel Zuspruch dafür, wobei es mir wichtiger ist, wenn dieser sich auf die Qualität der Platten bezieht.

Im Vintage-Plattenladen, man sieht den Dielenboden und Regale voller Platten.
Blank polierter Dielenboden, Industrieleuchten und vor allem ein gut sortiertes Angebot feinster Vinyl-Platten zeichnen den Record Store aus.

Du hast dich auf Vintage-Platten spezialisiert. Warum?
Es ist mein Hauptinteresse. Täglich erscheinen unzählige Tonträger und Platten und man muss sich schon fragen, welche Bedeutung sie auf lange Sicht haben werden. Ich begeistere mich für Platten, die in der Geschichte bereits eine bestimmte Rolle gespielt haben. Zwar gibt es auch zehn bis 15 Prozent Neuware bei mir, hinter der ich absolut stehe, aber „The Dark Side of the Moon“ von Pink Floyd oder „Monster Movie“ von Can, das sind nun einmal Klassiker.

Welche Art von Musik suchen und finden deine Kund*innen bei dir?
Das geht von klassischem Rock über Wave und Pop bis zu Independent Punk, Death Metal und Free Jazz. Darunter natürlich die großen Bands wie Kraftwerk, Queen und Depeche Mode. Doch was du hier siehst, ist nicht das ganze Sortiment. Im Online-Store ist die Auswahl noch größer. Was ich kaum habe, ist klassische Musik. Wenn man sich darauf spezialisieren wollte, hätte man genug für ein ganzes Leben zu tun.

Und wo findest du deine Platten?
Das Finden ist die größte Herausforderung. Du musst immer auf die Jagd gehen, Sammlungen und Archive durchforsten. Ich reise viel, suche im Internet und schalte online Werbung.

Detail mit Regal voller Kassetten und im Vordergrund einer Schale mit Badges.
Wie aus der Zeit gefallen: Musikkassetten.

Vinyl erfährt gerade eine Renaissance. Wie wirkt sich das bei dir aus?
Die Nachfrage ist im Moment riesengroß. Auch in meiner Community wird dieser Trend wahrgenommen, aber hier wurde dem Vinyl ja schon immer vertraut. Viele meiner Kund*innen kaufen sich eher selten eine CD, mich selbst eingeschlossen. Jetzt wird eine neue Generation angesprochen, die sich eigenständig eine Plattensammlung aufbaut. Für mich ist es gerade eine gute Zeit, aber gleichzeitig schaue ich zu und warte ab, was passiert, wenn der Hype wieder abebbt.

Welche Rolle spielt die Tradition Düsseldorfs als Musikstadt beziehungsweise die Düsseldorfer Musikszene für dich?
Als jemand, der mit der Musikszene verwoben ist, finde ich die Stadt superinteressant, aber es geht für mich eher weg von den klassisch besetzten Themen wie beispielsweise der elektronischen Musik. Ich interessiere mich vor allem für Experimentelles – in der Nachbarschaft sind kleine Undergroundclubs, die Veranstaltungen mit geladenen Gästen machen. Ich habe hier im Haus einen Nachbarn, der als Videokünstler und Musiker sehr aktiv ist. Die meisten der ausländischen Kund*innen fragen allerdings nach den bekannten Düsseldorfer Bands wie Kraftwerk und Die Toten Hosen. Insofern spielt Düsseldorf in meinem Angebot schon eine große Rolle. Und manchmal überschneidet die Musikszene sich auch mit der Kunstszene. Zum Beispiel gab es im vergangenen Jahr in der Kunsthalle eine Ausstellung, die Conrad Schnitzler, Künstler und Pionier der elektronischen Musik, gewidmet war, einem Beuys-Schüler, der den Krautrock salonfähig gemacht hat. Dazu habe ich meine Sammlung von seltenen Tonträgern zur Verfügung gestellt. Zudem haben mich Bands wie Mittagspause, Der Plan, S.Y.P.H. und natürlich Fehlfarben – für mich eine der wichtigsten Düsseldorfer Bands – sehr beeinflusst.

Detail eines Plattenregals, in dem man beschriftete Trenner sieht, hier: Kraftwerk und Pink Floyd.
Darf in einem Düsseldorfer Plattenladen nicht fehlen: Kraftwerk.

Du bist in Düsseldorf aufgewachsen. Was zeichnet die Stadt für dich aus?
Damals wie heute ist die Düsseldorfer Subkultur für mich total wichtig. Deshalb war und bin ich Fan der Kiefernstraße. Ich habe mir sehr viele Punk- und Metal-Konzerte dort angeschaut. Ich gehe gerne in autonome Zentren oder zu privaten Events, wie beispielsweise zu denen des Künstlers Swen Bruckner. Wenn man etwas über den kommerziellen Tellerrand schaut, sich für Experimentelles und Avantgardistisches interessiert, gibt es in Düsseldorf sehr viel zu entdecken.

Was magst du an Düsseldorf? Und was nicht?
Ich liebe alles an dieser Stadt. Das fängt damit an, dass ich es genieße, über die Kö zu gehen. Ich mag auch die Altstadt in ihrer Urigkeit und die Nähe zum Rhein. Ich finde, unser Rheinufer ist das schönste überhaupt. Dann das KIT und die vielen anderen Museen, die in der Welt ihresgleichen suchen – das meine ich ohne Übertreibung! Für mich ist angenehm, dass Düsseldorf nicht so ausufert wie Berlin. Man kann gezielt in einen Stadtteil fahren, dort vier, fünf Läden besuchen, die dortige Gastronomie genießen. Das gilt nicht zuletzt für das japanische Viertel. Kurzum: Es ist großartig, wie die bunte Vielfalt Düsseldorfs alles vereint, von der Kiefernstraße bis zur Kö. Als Kulturschaffender möchte ich nirgendwo anders leben. Und ich finde: Düsseldorf hat mehr Aufmerksamkeit verdient!

Günter Herke, Inhaber des Plattenladens Minty Vinyl, steht vor seinen Platten im Laden.
Günter Herke trifft man vielerorts in Düsseldorf: AK47, Grafenberger Wald und vielleicht auch mal auf der Kö.

Wohin gehst du, wenn du Gleichgesinnte treffen willst?
Das Zakk und das AK 47 sind Orte, wo man mich regelmäßig treffen kann. Mit Freundinnen gehe ich gern ins Museum, ins K20 und K21 und in die Kunsthalle. Es gibt auch immer wieder Indie-Aktionen in der Stadt, initiiert von Künstlerinnen wie beispielsweise Frauke Berg und Oliver Gather, die sich mit Aktionen rund um Kunst, Musik und Architektur im Gasthof Worringer Platz einen Namen gemacht haben. Dort gehe ich gern hin. Oder in den Onomato Kunstraum an der Birkenstraße.

Flingern ist nicht zuletzt für seine reiche Gastroszene bekannt. Hast du ein Lieblingslokal für ein schönes Abendessen mit Freund*innen?
Das Mini Sorrento, ein Familienbetrieb an der Gerresheimer Straße, die machen die beste Pizza. Wenn ich drei Wochen im Urlaub bin, habe ich zum einen Sehnsucht nach Düsseldorf und speziell nach Genaros Pizza. Wenn ich das jetzt sage, bekomme ich demnächst wahrscheinlich keinen Platz mehr dort (lacht). Toll finde ich auch das Café Rika, einen Japaner, der sich ebenfalls etwas ab von Schuss an der Gehrtsstraße befindet – wir lieben die Nudelsuppen, den Teriyaki Lachs und die Reisgerichte.

Wohin gehst du, wenn du abschalten möchtest?
Wenn ich Zeit für mich und Ruhe brauche, stromere ich durch die Stadt. Wenn mir der Sinn nach Natur steht, gerne durch den Grafenberger Wald. Für ein langes Wochenende ist man von Düsseldorf aus schnell in Holland. Die Lage der Stadt ist superzentral – das finde ich perfekt!

minty-vinyl.de

Tipp für alle Vinyl-Fans: Günter Herke ist regelmäßig Gast bei „45 RPM Audiophile“, eine Interviewreihe auf YouTube.

Interview: Ilona Marx

Fotos: Markus Luigs

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