Bilker Straße − Die Grande Dame
Wo ist es denn, das alte und echte Düsseldorf? Die Antwort ist simpel: in der Carlstadt Düsseldorf. Hier findet man beispielsweise die altehrwürdige Bilker Straße − südlich ausgehend vom umtriebigen Carlsplatz verläuft sie bis zum Schwanenmarkt. Sie ist die Grande Dame unter den Straßen. Seit 2020 trägt die Bilker Straße außerdem den Titel: „Straße der Romantik und Revolution“. Was es damit auf sich hat, wieso Heine ursprünglich Harry hieß und wer rechts und links residiert, verraten wir euch in unserer Kooperation mit The Dorf The Streets.
Kopfsteinpflaster, historische Gaslaternen und eine für die Carlstadt Düsseldorf ungewohnte Ruhe kennzeichnen die 331 Meter lange Bilker Straße. Patrizierhäuser, Gedenktafeln und alte Portale säumen den Bürgersteig. Hier liegt das letzte gemeinsame Wohnhaus des Komponisten-Ehepaares Robert und Clara Schumann, Heinrich Heine folgt einem auf Schritt und Tritt und auch das Institut Français hinterlässt kulturelle Spuren. Heine und den Schumanns verdanken wir den Titel „Straße der Romantik und Revolution“. Denn das Heinrich-Heine-Institut ist an der Bilker Straße 12-14 beheimatet und an der Nummer 15 das Schumann-Haus. Im Heinrich-Heine-Institut befindet sich die weltweit einzige Dauerausstellung zum Leben und Werk des spöttischen Dichters, Schriftstellers, politischen Journalisten und Feuilletonisten. Welch glücklicher Zufall sich dem Schaffen und der Bedeutung seines Werkes dort zu widmen, wo der Schulweg des jungen Heine lag. Der ursprünglich Harry Heine hieß und vier Jahre lang die Max-Schule in der Carlstadt Düsseldorf besuchte. Heine soll sich über den Namen Harry sehr geärgert und sich darum später in Heinrich umbenannt haben. So die Legende.
Im Heine-Haus gibt es nicht nur anekdotisches zu entdecken, sondern wechselnde Sonderausstellungen mit verschiedenen literarischen, musikalischen und kulturhistorischen Themen. Das Institut bietet Führungen durch die Ausstellung und wer das Glück hat, die seit 2009 leitende Direktorin Dr. Sabine Brenner-Wilczek anzutreffen, erfährt allzu menschliches, nicht akademisches aus dem ereignisreichen und schicksalhaften Leben Heines. Der kritische Freigeist floh nämlich vor der Zensur ins „Vaterland des Champagners und der Marseillaise“ nach Paris ins Exil. Die mit viel Liebe zum Detail kuratierte Ausstellung gewährt Einblicke in das Innenleben des selbsternannten „… letzten abgedankten Fabelkönigs der Romantik“. Und echte Nerds dürfen sich auf 70 Prozent aller bekannten handschriftlich verfassten Dokumente von Heinrich Heine freuen. Die Strahlkraft des Rheinländers ist mit seinem Tod im Jahr 1856 nicht erloschen. Heines Auseinandersetzung mit Themen wie Exil, Heimatlosigkeit und Zensur mahnen auch heute und geben Anlass zur Diskussion. In Heines Erinnerungen wie in „Das Buch Le Grand“ und in „Memoiren“ sind Lokalkolorit und historische Ereignisse eingeflossen, wodurch seine Heimatstadt Düsseldorf einen kleinen Platz in der Weltliteratur erhält.
Fun Fact: Johannes Brahms war Babysitter der Schumann-Kinder
Historisch geht es auf der Bilker Straße weiter: Von 1852 bis 1855 fand das Ehepaar Schumann in der Nummer 15 eine angemessene Unterkunft, die der gehobenen Stellung Robert Schumanns als städtischer Musikdirektor entsprach. Die ehemalige Wohnung der Familie Schumann erstreckt sich über die erste und zweite Etage. Zwei der insgesamt fünf Kinder wurden hier geboren. Neben dem alltäglichen Leben und Arbeiten entwickelte sich ein beliebter Treffpunkt für befreundete Künstler*innen. Bettina von Arnim ging genauso ein und aus wie Johannes Brahms, der zwischendurch auch als Babysitter einsprang. Dabei geriet die Musik in den Hintergrund, wenn der Nachwuchs zum Beispiel mit ihm wie wild das Treppengeländer runterrutschte. Und vielleicht hat er ihnen gelegentlich sein berühmtes Wiegenlied vorgesungen. 2012 wurde der Förderverein Schumann-Haus Düsseldorf e. V. gegründet, der sich für den Ausbau des Museums und die Gedenkstätte einsetzt. Denn aufgrund seiner historischen Bedeutung wurde das gesamte Gebäude seit 2018 saniert, erweitert und zu einem Schumann Museum ausgebaut. Das fertige Museum ist ebenfalls in das übergreifende Konzept der „Straße der Romantik und Revolution“ eingebunden.
Weiter geht es zur Bilker Straße 7-9. Das heute unter dem Namen Kulturzentrum Palais Wittgenstein bekannte Gebäude entstand im Zuge der Besiedelung der Carlstadt nach 1790. Heute befinden sich darin das Institut Français, das Düsseldorfer Marionettentheater und der sogenannte Kammermusiksaal. In letzterem finden regelmäßige Lesungen und Konzerte statt. Erwähnenswert ist die Arbeit des Institut Français. Das sympathische Team aus Muttersprachler*innen sorgt dafür, dass in Düsseldorf, dem Klein-Paris der Herzen, die Sprache der Trikolore lebendig bleibt. Rund 1.000 Anmeldungen im Jahr verteilen sich auf klassische Sprach-, Gruppen- und Einzelkurse für alle Niveaus. Dazu gibt es kostenlose Einstufungstests, Sprachzertifikate und vieles mehr. Das Institut verfügt über eine ansprechende Bibliothek, sowie eine umfangreiche Mediathek. Mit einem vielseitigen Kulturprogramm aus Filmwochen, Ausstellungen, Autor*innenlesungen und dem Bibliobus, einer französischen Bibliothek auf vier Rädern, kann die französische Sprache nicht nur erlernt, sondern erlebt werden. Neben einer großen Auswahl an französischen Filmen und Comics, können Kinder und Jugendliche in einem Breakdance-Projekt auf der „piste de danc“ ihre Power Moves und Freezes präsentieren.
Ein weiteres Highlight liegt im Innenhof des Palais Wittgenstein: das Düsseldorfer Marionettentheater, das seit 42 Jahren von Anton Bachleitner geleitet wird. Schon auf der Straße vor dem Innenhof lockt die Bronzemarionette des Puck aus dem Sommernachtstraum die Besucher:innen in das Theater. In rund 230 Vorstellungen pro Jahr gibt es anspruchsvolle Inszenierungen für Erwachsene und Kinder ab acht Jahren. Ein Theaterbesuch ist ein Erlebnis, das Generationen verbindet. Oft sind es die Großeltern, die mit ihren Enkel*innen kommen. Das Repertoire umfasst 22 Inszenierungen, darunter Opern und modernes Musiktheater, Dramen und Märchen. Ein Schwerpunkt liegt auf Adaptionen von Michael-Ende-Werken. Zum Theater gehören die Werkstätten und ein Theaterfundus mit über 500 Figuren. Alles, was auf der Bühne zu sehen ist, entsteht nach den Entwürfen des Gründers und künstlerischen Leiters Bachleitner.
So viel zum romantischen, revolutionären Teil der Grand Dame der Carlstadt Düsseldorf. Die Bilker Straße ist aber nicht nur historisch ein Fundstück. Nach wenigen Schritten und einigen Blicken in die Schaufenster der Geschäfte und Ateliers wird schnell klar: Hier verbindet sich Altes mit Neuem. Man trifft auf Menschen, die ihre eigene Version von Romantik und Revolution leben. Das impliziert Austern und Champagner, Lichtobjekte und Design und vieles mehr. Davon berichten wir euch in unserem zweiten Teil über die Bilker Straße.
Ein Beitrag von The Dorf
The Dorf, das sind vor allem Tina Husemann und David Holtkamp, die Gründer*innen des charmanten Online- wie Offline-Magazins. Gemeinsam mit ihrem Team lassen sie das (Düssel)Dorf Revue passieren und liefern uns Gegenwartskultur, Highlights und Spots.
In der Reihe „The Dorf The Streets“ zeigen sie uns mittels verschiedener Straßen die Vielfalt Düsseldorfs.