„Ich will einen Ort schaffen, an dem Menschen zusammenkommen.“
Multitalent Flockey Ocscor ist Tänzer, Musiker, Videograph, Spoken Words Artist und Veranstalter der „Sessions“ im Düsseldorfer Schauspielhaus, einer Eventreihe für Performances aus Tanz, Poetry, Musik und Kunst. Seit seinem 17. Lebensjahr unterrichtet er am Tanzhaus NRW Tanzstile wie Locking und Soul und hat mit seiner Tanz-Crew mehrere europäische Wettbewerbe gewonnen. Der 31-Jährige mit kongolesischen Wurzeln ist in Friedrichshafen geboren, in Ulm aufgewachsen, lebte lange in Wuppertal und aktuell in Solingen. Seine künstlerische Base ist aber Düsseldorf – für Flockey die deutsche Hauptstadt des Urban Dance.
Flockey, welche Bedeutung hat Tanz für dich?
Tanz bedeutet für mich Frieden und Gelassenheit. Ich schalte gerne ab, wenn ich tanze und übersetze meine persönliche Geschichte in Körpersprache. Tanz und Musik sind für mich wie Medizin – sehr heilsam.
Wie hast du Tanz für dich entdeckt?
Als kleiner Junge habe ich meinem Vater in der kongolesischen Gemeinde in Ulm immer beim Tanzen zugeschaut, was mich unbewusst sehr inspiriert hat. Übergesprungen ist der Funke aber, als ich mit zehn Jahren Tanzfilme und Musikvideos von Usher, Michael Jackson und James Brown entdeckt habe. Ich habe mich im Kinderzimmer oder Bad – das war mein Safe Space – eingesperrt und Choreografien nachgetanzt. Als Jüngster von vier Geschwistern war ich damals sehr schüchtern und habe mich nicht getraut, vor anderen zu tanzen. Das kam erst später in der Schule, als ich gemeinsam mit Freunden Choreografien geübt und in der Pause auf dem Schulhof aufgeführt haben.
Bald folgte mein erstes offizielles Tanzbattle in Mühlheim.
Gab es einen Moment, in dem du wusstest, dass Tanz dein Leben ist?
Mit 17 habe ich zum ersten Mal beim weltweit größten Tanz-Battle „Juste Debout“ in Parus teilgenommen und gemeinsam mit meinem Tanzpartner Sugar Rae vor fast 20.000 Menschen in Bercy getanzt. Danach hat sich alles verändert. Es kamen viele Anfragen und nationale und internationale Workshops. Aber auch eine große Verantwortung. Alle Augen waren auf uns gerichtet. Ein weiterer Meilenstein war, als ich mit meinem Partner bei den „UK B-Boy Championships“ gesiegt habe. Wir waren die ersten deutschen Tänzer, die das jemals gewonnen haben. Als ich klein war, habe ich immer geträumt dort teilzunehmen. Auf der Bühne zu stehen und auch noch zu gewinnen? Ein Traum wurde wahr.
Du bist in der Tanzszene international bekannt. Selbst Soul-Sängerin Erykah Badu ist auf dich aufmerksam geworden. Wie kam es dazu?
Ich habe mit der kanadischen Band Bad-Bad-Not-Good für einen Clip zusammengearbeitet. Die Jungs sind mit Erykah Badu befreundet, sie wurde auf das Video aufmerksam und folgte mir auf Instagram. Das ist natürlich eine große Ehre und hat mir gezeigt, wie gut Social Media Menschen weltweit vernetzen kann.
Du hast lange im Wuppertal gelebt, jetzt in Solingen, aber Düsseldorf nennst du deine künstlerische Base. Was macht für dich den Vibe der Stadt aus?
Seitdem ich 17 bin, unterrichte ich im Tanzhaus NRW Tanzstile wie Locking und Soul. Nebenbei habe ich an der HSD Kommunikationsdesign studiert. Meine Base ist Düsseldorf. Alle Tanzevents haben hier stattgefunden, ich habe oft hier trainiert, viele meiner Freunde leben hier. Düsseldorf ist eine sehr eigene, künstlerische Stadt, die sehr viele Möglichkeiten bietet, etwas zu unternehmen. Ich fühle mich im Rheinland sehr verbunden und zu Hause. Die afrikanische Community ist sehr vernetzt. Ob Wuppertal, Köln oder Düsseldorf: Ich kann in alle Städte und Szenen reinschnuppern und spannende Unterschiede finden – sowohl menschlich als auch künstlerisch. In der urbanen Szene ist Düsseldorf die künstlerische Hauptstadt. Wir haben viel Geschichte, eine Dance-Battle-Kultur, das Tanzhaus NRW und viele internationale Tänzerinnen und Tänzer, die sich untereinander austauschen. In Düsseldorf zu sein, ist schon nice!
Du veranstaltest zwei Mal im Jahr die „Sessions“ im Düsseldorfer Schauspielhaus. Eine Veranstaltungsreihe, die Performances aus verschiedenen künstlerischen Disziplinen besteht. Was hat dich dazu inspiriert?
Ich kenne die Tanzszene, den Bereich Kommunikationsdesign und habe mich viel mit Videografie und Regie auseinandergesetzt. Dabei habe ich gemerkt, dass es oft an Kommunikation fehlt. Dass Videografen Tänzer*innen gesucht haben oder umgekehrt. Es gab keinen Space, wo alle zusammenkommen konnten. Neben den Live-Performances geht es bei den „Sessions“ im Düsseldorfer Schauspielhaus genau darum: Menschen zu vernetzen und ihnen einen schönen Abend zu bereiten. Einen Ort zu schaffen, an dem unterschiedliche Menschen zusammenkommen, einen Platz haben und hinterher gemeinsam etwas Kreatives machen. Es gibt wenig Veranstaltungen und Räume, die man gerne alleine besucht. Das möchte ich mit den „Sessions“ brechen. Ich muss nicht zwingend mit drei Freund*innen herkommen. Sondern durchaus alleine – und dann mit fünf neu kennengelernten Leuten wieder gehen.
Was erwartet uns bei der nächsten Ausgabe der „Sessions“ am 30. April?
Der Fokus liegt auf verschiedenen Live-Performances im Düsseldorfer Schauspielhaus, die Tanz, Poetry, Musik, Kunst und Spoken Words verbinden. Sie sind speziell kurzgehalten, jeweils etwa fünf bis 15 Minuten. Daneben werden Künstler*innen aus den Bereichen Malerei, Fotografie, Schmuck und weiteren ausstellen. Erstmals wird es auch warme Speisen geben. Und eine After Party im Tanzhaus NRW, bei der in den Mai getanzt werden kann.
Wie wählst du die Künstler*innen für deine „Sessions“ aus ?
Ich bin sehr wählerisch und entscheide nach Gefühl. Etwas muss mich catchen. Ich kann gar nicht sagen, was genau es ist. Da muss etwas sein, das ich interessant finde. Ich bin recht wählerisch, da ich selbst Künstler bin und nicht nur Veranstalter. Gleichzeitig bin ich offen für unterschiedliche Stile und habe ein Team, das mich bei der Suche nach Künstler*innen unterstützt und mir neue Perspektiven aufzeigt.
Gibt es Düsseldorfer Künstler*innen und Talente, die dich derzeit besonders beeindrucken?
Vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof habe ich zufällig den kongolesischen Gitarristen Amuri entdeckt. Ich war eigentlich voll im Stress, musste meine Bahn erwischen und hatte Kopfhörer auf. Dann habe ich plötzlich die Gitarre gehört, mich an meinen Vater erinnert und ihm erst mal ganz in Ruhe zugehört. Er hat mich auf Anhieb überzeugt, ist seitdem quasi ein Teil der Familie und wird bei den kommenden „Sessions“ im Düsseldorfer Schauspielhaus auftreten.
Welche Orte in Düsseldorf inspirieren dich?
Der Volksgarten im Sommer. Da verbringe ich sehr viel Zeit und kann kreativ sein. Oder das Ruby Luna, ein schöner Workspace, wo ich ebenfalls kreativ sein kann. Ich bin sehr ruhig unterwegs und brauche ruhige Orte, die gleichzeitig inspirierend sind.
Welche Träume und Ziele hast du?
Mein Traum als Veranstalter der „Sessions“ ist in Düsseldorf zwei Formate zu zeigen: Ein kleines, intimes Format und ein großes Festival im Sommer, zu dem Familien, Kinder und Menschen, die im Ausland leben, kommen können. Aktuell arbeite ich an einer EP, einem Musikprojekt mit einigen Liedern, die ich mit Tanz, Kurzfilmen und Videos verbinden möchte. Als Perfektionist, dauert das ein wenig bei mir. So ein musikalisches Tanzprojekt auf die Beine zu stellen, ist mein Traum als Künstler.
Interview: Karolina Landowski
Fotos: Ardelle Schneider
Fotos „Sessions“, 10/2023: Mit freundlicher Genehmigung von Flockey Ocscor