Opa geht in Rente – Ein Interview mit Marcus Haefs, Stadion-DJ der Fortuna Düsseldorf

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„Einer der ersten Songs, die ich aufgelegte, war ‚We are coming back‘ von Cock Sparrer.“

Für Fortuna Düsseldorf und seine Fans geht eine Ära zu Ende: Marcus Haefs, genannt Opa, legt nach zwanzig Jahren seine Tätigkeit als Stadion-DJ nieder. In all den Jahren war auf eines stets Verlass, dass Opa sein Ding machte. Obwohl nicht alle Aktionen des mitunter streitbaren DJs zwangsläufig auf Gegenliebe stießen. Wie Opa dazu kam, Musik bei Fortuna aufzulegen? Weshalb er mit seiner Band Dead Dates demnächst in Guadeloupe auftritt und wo er seine Spiele der EURO 2024 schaut, erzählte er uns bei einem Gespräch im Oberbilker Stadion der TuRU 1880.

Marcus Haefs verlässt das TuRU-Stadion und geht unter einem Schild, auf dem "Auf Wiedersehen" steht, drunter durch.

Marcus, wir sind gerade bei TuRU 1880 zu Gast. Neben Fortuna Düsseldorf der wohl zweitwichtigste Verein in Düsseldorf. Welchen Stellenwert hat Fußball in deinem Leben?
Fußball ist eine der schönsten Sportarten, die es gibt und war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Fortuna ist für mich eine Herzensangelegenheit, aber TuRU ist für mich der Zweitverein. Ich wohne gleich um die Ecke, und wenn es der Spielplan von Fortuna zulässt, gehe ich sonntags gerne hier hin. Oder ich fahre mit dem Rad zum Lohausener SV, wo ich selbst mal gespielt habe.

Du bist als Musiker, aber vor allem als Stadion-DJ der Fortuna Düsseldorf bekannt. Wie kommt man dazu, diesen Job zu übernehmen?
Das Ganze hat vor 22 Jahren angefangen. Seinerzeit war die Fortuna ziemlich am Ende, und wir haben mit einigen Leuten versucht, durch verschiedene Aktionen den Verein am Leben zu erhalten. Irgendwann kam der Obmann der zweiten Mannschaft auf mich zu und fragte, ob ich nicht Lust hätte, den Stadionsprecher für die Zwote zu geben. Ich habe sofort zugesagt, daraus eine ziemliche Show gemacht und meine Musik mitgebracht, was bei den Zuschauer*innen gut ankam. Als Dieter Bierbaum, seinerzeit Stadionsprecher der ersten Mannschaft, aufhörte, fragte mich sein Nachfolger Ilja Ludenberg, ob ich nicht Stadion-DJ werden möchte. Ich war natürlich sofort einverstanden. Fortuna war seinerzeit in der Regionalliga Nord. Mein erstes Spiel war gegen gegen die Amateure vom Vfl Wolfsburg – ein grausiges 0:0 bei strömendem Regen. Einer der ersten Songs, die ich aufgelegte, war „We are coming back“ von Cock Sparrer − obwohl es damals alles andere als nach einem Comeback aussah. (Lacht)

Marcus Haefs spricht mit Autorin Katja Vaders, beide sitzen auf der Tribüne.
Marcus Opa Haefs im Gespräch mit Katja Vaders.

Was ist die spezielle Herausforderung, der man sich als Stadion-DJ stellen muss?
Wichtig ist für mich vor allem, dass ich Musik mit Haltung spiele. Die Bandbreite ist dabei groß, von Pink über Hip-Hop bis Soul. Ich möchte möglichst viele Fans erreichen, aber man kann es nicht allen recht machen.

Was unterscheidet dich von anderen Stadion-DJs der Bundesliga?
Unser DJ-Pult steht genau am Spielfeldrand, damit wir Fangesänge sofort hören und aufgreifen können. Außerdem lassen wir keine Party-Schunkel-Mucke laufen, sondern gerne Musik mit Düsseldorf-Bezug; das kann mal ein Karnevalslied sein, Die Toten Hosen oder Broilers. Wir supporten auch unbekanntere regionale Bands, und natürlich spiele ich auch immer wieder mal eigene Sachen. (Lacht)

Marcus Haefs hält eine Platte von den Toten Hosen in den Händen. Fotografiert über die Schulter.

Du bist jetzt zwanzig Jahre Stadion-DJ bei Fortuna Düsseldorf. Kannst du einen Blick zurückwerfen und uns an einigen Highlights aus dieser Zeit teilhaben lassen?
Es war immer ein Highlight, den richtigen Griff in die Plattenkiste zu haben – zum Beispiel seinerzeit gegen die Hertha BSC: Die Fans fingen an zu zündeln, weshalb es eine Spielunterbrechung gab, für die man wiederum die Fortuna-Fans verantwortlich machte. Ich spielte kurzerhand „We didn’t start the fire“ von Billy Joel, was für viel Gelächter sorgte. Legendär ist auch das Spiel gegen den RB Leipzig (Info s. u.) als ich „Kauf mich“ von den Hosen, „Money Money Money“ von ABBA, „Ich find‘ dich scheiße“ Von Tic Tac Toe und vor allem Chopins „Trauermarsch“ auflegte. Für Letzteren hat mich Ralf Rangnick, Trainer von RB Leipzig, heftig beleidigt. Ich bekam Post von der DFL (Deutsche Fußball Liga) – und es gab eine europaweite Berichterstattung.
Auch unvergessen: Nachdem Borussia Dortmund aus der Champions League ausgeschieden war und ich anschließend zur Begrüßung der Dortmunder die Champions-League-Hymne gespielt habe. Das fand sogar Jürgen Klopp richtig gut. Er kam tatsächlich auf mich zu und sagte: „Chapeau! Nicht nett, aber schön.“

Gab es denn auch Lowlights, von denen du uns berichten kannst?
Natürlich gab es in den zwanzig Jahren auch Momente, die nicht so schön waren. Zum Beispiel als rechtsradikale Fans versucht haben, bei Fortuna Fuß zu fassen. Einige von denen haben mich irgendwann mal am Hauptbahnhof überfallen – mir regelrecht aufgelauert und mich direkt angesprochen. Gerettet haben mich Fans von Borussia Mönchengladbach, die zufällig in der Nähe standen und sofort dazwischen gegangen sind. Meine Eltern haben seinerzeit komische Anrufe erhalten, es gab anonyme Emails … Der ganze Spuk ging glücklicherweise nur zwei Monate, als alles langsam wieder abebbte.

Die Tribüne, vorne das Fußballfeld und oben grauer Wolkenhimmel.

Wer dir auf Social Media folgt, muss beobachten, dass du beispielsweise auf Facebook nach wie vor ziemlich viel Gegenwind bekommst.
Ja, allerdings. Mir wird oft unterstellt, dass ich unbedingt in der Öffentlichkeit stehen möchte. Das war aber nie mein Ziel. Ich nutze vielmehr die Chance, die mir der Job als Stadion-DJ gibt, eine Message zu transportieren. Und wenn man so etwas macht, muss man heutzutage wohl leider mit den Konsequenzen leben. Das Klima ist insgesamt erheblich rauher geworden.

Sind die Pöbeleien und das rauhe Klima der Grund, warum du mit Ende der Saison deine Tätigkeit als Stadion-DJ niederlegst?
Es ist tatsächlich ein Konglomerat aus viele Dingen. Wie viele andere Fans habe ich mich während der Corona-Zeit ein bisschen vom Profifußball entfernt. Es sind einige Dinge zum Vorschein gekommen, die mir nicht so gut gefallen haben. Ein weiterer Grund ist, dass ich mich selbst nicht mehr mit witzigen Ideen überraschen kann, Denn natürlich fängt man irgendwann in zwanzig Jahren an, sich zu wiederholen. Ich freue mich auch darauf, künftig an einem Spieltag überlegen zu dürfen, ob ich ins Stadion gehe – oder auch nicht. Die Vorstellung, mich an einem Samstag- oder Sonntagmorgen noch einmal im Bett umzudrehen, ist nicht verkehrt.

Portrait von Marcus Haefs im Fortuna Stadion am letzten Tag als Stadion-DJ.
Marcus Haefs bei seinem Abschied als Stadion-DJ im April 2024. Foto: Christof Wolff

Eines ist klar: Wenn du aufhörst, geht für Fortuna Düsseldorf eine Ära zu Ende. Wie hat Fortuna Düsseldorf auf deine Entscheidung reagiert?
Die Reaktionen waren sehr gemischt. Vielen Verantwortlichen war das, glaube ich, ziemlich wurscht. Trotzdem gab es einige, die meinen Entschluss bedauert haben. Andere, und das finde ich auch völlig in Ordnung, finden es gut, dass ich endlich gehe. Die dachten nämlich, dass sie mich nie loswerden. (Lacht) Ich persönlich freue mich darauf, endlich nur Fan sein zu dürfen, mich morgens mit Freunden zu treffen, ein Bierchen zu trinken und mit dem Rad gemütlich ins Stadion zu fahren.

Apropos Fußballgucken: Im Sommer erwartet die Stadt das nächste große Fußballereignis. Düsseldorf ist Austragungsort von einigen Spielen der UEFA EURO 2024. Wirst du dir das Turnier anschauen?
Ich finde es toll, dass die EURO auch in Düsseldorf stattfinden wird. Ein schöner Anlass, dass Menschen aus der ganzen Welt in unsere Stadt kommen. Ins Stadion werde ich aber auf gar keinen Fall gehen. Trotzdem werde ich mir bestimmt bei schönem Wetter mit Freundinnen und Freunden, das eine oder andere Spiel anschauen − entweder in der Rettematäng an der Ratinger Straße oder in der Blende an der Bilker Allee.

Wir haben fast ausschließlich über Fußball gesprochen. Dabei hast du noch eine andere Leidenschaft, die Musik.
Genau, ich habe eine Band, die Dead Dates. Im Mai haben wir einen Auftritt in Guadeloupe auf Einladung einer dort ansässigen, befreundeten Punkband, den Bolokos. Wir werden übrigens die erste deutsche Band sein, die dort spielt! Das ist ein schönes Abenteuer, auf das wir uns sehr freuen.

Markus Haefs vor vertikalen Jalousien im Vereinsheim von TuRU 1880.

Und wo trifft man dich sonst noch in Düsseldorf?
Für ein Bierchen mit Freundinnen und Freunden findet man mich vor allem im Pitcher oder im Konvex. Vorher gehe ich im Scaramangas, gleich gegenüber, essen. Kaffee trinken findet im Musame am Fürstenplatz statt. Zu Konzerten gehe ich gerne in den Hof.

Du fährst auch sehr gerne Fahrrad. Wohin verschlägt es dich, wenn du eine Radtour machst?
Eigentlich fahre ich meistens drauflos. Das Tolle ist: Ich bin Düsseldorfer durch und durch und dachte immer, dass ich die Stadt zu 98 Prozent kenne – aber dann biegt man mal anders ab und entdecket auf einmal sehr schöne Ecken, in denen man vorher noch nie war.

Zum Abschluss bitte dein Tipp: Wer wird Europameister 2024?
Wem ich es wirklich gönnen würde, sind die Engländer. Ich bin ja bekanntermaßen sehr anglophil und die haben es wirklich mal verdient!

Info
RB Leipzig wurde als erster Klub in Deutschland vorwiegend für Marketingzwecke gegründet, finanziert von Red Bull. Zuvor scheiterte Red Bull beim Versuch, deutsche Traditionsklubs zu übernehmen, unter anderen bei Fortuna Düsseldorf, auch aufgrund der geforderten Namensänderung. Schließlich übernahm Red Bull die Lizenz des SSV Markranstädt in der Oberliga, umging dabei das DFB-Lizenzierungsverfahren und änderte Name sowie Wappen. Dank einer rasanten Aufstiegsserie spielt RB Leipzig nun sowohl in der Bundesliga als auch regelmäßig in der Champions League. Dieser Vorgang stieß bei vielen deutschen Fußballfans auf Kritik und führte zu starker Ablehnung.

Interview: Katja Vaders
Fotos: Kristina Fendesack
Vielen Dank an TuRu 1880, dass wir das Interview bei euch führen durften.

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