Die Gründer des Asphalt Festival Christof Seeger-Zurmühlen (li) und Bojan Vuletić sitzen nebeneinander

„Die Stadt ist unsere Bühne.“ – Ein Interview zum Asphalt Festival

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Christof Seeger-Zurmühlen und Bojan Vuletić schenken uns zum zwölften Mal einen Sommer der Künste

Mit dem zwölften Asphalt Festival erlebt Düsseldorf einen Sommer der Künste an besonderen Orten der Stadt – von der Seebühne am Schwanenspiegel bis zum D’haus Central. Das multidisziplinäre Kulturfestival zeigt Theater, zeitgenössischen Tanz, Konzerte und Lesungen internationaler und lokaler Künstler*innen und behandelt brennende gesellschaftliche und politische Fragen. Wir haben die beiden Festivalleiter Christof Seeger-Zurmühlen und Bojan Vuletić im 34OST getroffen, dem diesjährigen Festivalzentrum und eine der Asphalt-Spielstätten im ehemaligen Conrad Elektronikmarkt an der Oststraße.

Eingang 34OST, Zentrum Asphalt Festival.

Welche Idee und Intention stecken hinter dem Asphalt Festival?
Christof: Wir eröffnen, wenn die meisten Institutionen schließen – in den Sommerferien. Als wir 2012 mit dem Asphalt bei Null angefangen haben, war unser Anliegen, genau in diesem Kulturvakuum etwas zu bewegen. Raus aus dem Theater, rein in die Stadt. Wir kommen beide aus der Kunst. Bojan ist Komponist und Musiker, ich bin Theaterregisseur und Schauspieler. Wir agieren stark aus inhaltlichen Überlegungen heraus, denken künstlerisch, nicht kommerziell. Wir fragen uns, was in der Gesellschaft aktuell los ist und wie man das in unterschiedlichen Ästhetiken aus künstlerischer Perspektive verhandeln kann. Wie können wir auf der Bühne der Stadt und partizipativ mit der Stadtgesellschaft neue Denkräume erschaffen und Spielräume ergründen? Wie leisten wir als Künstler*innen einen Beitrag? Wir möchten durch die Vielheit an künstlerischen Formaten neue Horizonte eröffnen und dabei auch die Stadtarchitektur mit den Narrativen der Stücke verbinden.

Das Asphalt Festival bringt Kunst teils an außergewöhnliche Orte in Düsseldorf. Welche Rolle nehmen die Stadt selbst und ihre Bürger*innen dabei ein?
Bojan: Asphalt ist ein multidisziplinäres Festival an unterschiedlichen Orten in Düsseldorf. Die Stadt ist unsere Bühne. Wir zeigen neben Uraufführungen lokaler Künstler*innen große internationale und nationale Gastspiele und Produktionen, die es sonst in Düsseldorf nicht zu sehen gäbe. Das Nebeneinander verschiedener künstlerischer Ebenen, Disziplinen und Sprachen zieht verschiedene Zuschauer*innen an. Wir sehen jeden Abend ein anderes Publikum. Die Leute kommen nicht, weil sie die Produktionen und Künstler*innen kennen, sondern weil sie uns vertrauen. Oftmals entsteht ein Festivalrausch, ein Zustand, in dem das Publikum offen wird für ganz neue Sachen. Unser zentraler Gedanke ist, wirklich alle Menschen miteinzuschließen. Je mehr Teilhabe und Zugänglichkeit und je mehr Anknüpfungspunkte in die Gesellschaft, desto mehr Wirkung hat Kunst. Wir machen neue Räume in der Stadt auf und integrieren in unseren Produktionen unterschiedlichste Menschen. Bürgerinnen und Bürger aus den verschiedensten Gruppen und Milieus, verschiedenen Akteur*innen der Stadt, eine*n Historiker*in genauso wie eine*n Obdachlose*n oder Kirchengemeinden.

Welche aktuellen gesellschaftlichen Themen behandelt das Asphalt Festival in diesem Sommer?
Christof: Aktuell sind Gender Images eines der Leitthemen des Festivals. Wir fragen uns stets: Wer spricht in unserer Gesellschaft und wer nicht? Wem wird zugehört und wem nicht? Wessen Perspektive kann Asphalt sichtbarer machen? Dieses Jahr zeigen wir etwa mit „Aurora Negra“ eine Produktion von drei schwarzen Performerinnen, die darüber sprechen, wie sie sich als Künstlerinnen ihren Weg in Europa erkämpfen. Die letzten zwei Jahre hatten wir einen Schwerpunkt auf Künstler*innen aus der Ukraine, das werden wir weiterverfolgen. Uns interessieren Risse und Schmerzpunkte in der Gesellschaft. Viele unserer Produktionen reagieren auf aktuelle politische Zusammenhänge und gesellschaftliche Missstände und das in unterschiedlichsten Ländern. Dementsprechend geht es häufig um einiges.

Unter welchen Gesichtspunkten wählt ihr die Aufführungen aus?
Christof: Uns ist neben Urbanität und Partizipation die Sinnlichkeit der Stücke wichtig. Wie kann man Themen, die wehtun, auf der Bühne lustvoll verhandeln? Wie kann man etwas umdrehen, auf den Kopf stellen und die Welt durch das Spiel mit der Verwandlung begreifbarer machen? Wie kann Kunst Begegnungszonen schaffen und Menschen in den Dialog bringen? Uns interessiert dabei Bewegung auf verschiedenen Ebenen. Geistig, emotional und physisch.

Welche gesellschaftliche Bedeutung haben Kunst und Kultur in euren Augen?
Christof: Kunst muss frei bleiben. Sie kommt aus einer anderen Perspektive als Wissen. Sie ist ein Versuch, Gesellschaft aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, einen Vorhang zu lüften oder einen Schleier darüber zu legen. Wir als Festivalmacher glauben, dass Kunst Räume der Begegnung zur Verfügung stellen kann. Sich bei einer Produktion Menschen treffen, die sich anderswo vielleicht nicht getroffen hätten und durch das gemeinsame Erleben des künstlerischen Moments in den Dialog treten. Kultur ist ein Kitt der Gesellschaft, ein Mittel gegen Einsamkeit.

Welche Höhepunkte erwarten uns im Asphalt Festival-Programm?
Christof: Mein Highlight ist „Skatepark“ von der herausragenden dänischen Choreografin Mette Ingvartsen, die skaten als Tanz begreift. Eine mitreißende Bühnenproduktion, die fast ohne Worte auskommt und vom 19. bis 21. Juli mit Tänzer*innen und Akteur*innen der Düsseldorfer Skaterszene auf die Große Bühne des Central am Hauptbahnhof kommt. Sie untersucht den Charakter des Skatens als Community und urbanen Raum und die Frage nach dem Kern der Gemeinschaft. Für mich ist das Stück eine Liebesgeschichte. Weil sich die Zuschauer*innen in das Gefühl von berstender Energie verlieben und am liebsten spontan ein Teil davon sein wollen.

Bojan: Ich freue mich wahnsinnig auf das Abschlusskonzert der brasilianischen Singer/Songwriterin Bia Ferreira am 21. Juli im 34OST. Eine Künstlerin mit gewaltiger Stimme, die es mit einer Gitarre quer durch Brasilien tourend auf die Weltbühnen geschafft hat. Musik voller Eckigkeit und Besonderheit, die man hierzulande kaum zu sehen bekommt. Sie singt an gegen alle Formen der Diskriminierung und macht große politische Kunst. Ein tolles Live-Erlebnis und wahrlich ein Geschenk.

Welche Düsseldorfer Orte inspirieren euch?
Bojan: Wir sind in Düsseldorf sehr verwöhnt mit Museen für zeitgenössische Kunst. Ob K21 oder Langen Foundation, die sind alle toll. Aber der magischste Raum ist für mich persönlich das KIT. Und ich hatte das Glück, ihn schon zweimal mit Ausstellungen zu bespielen.

Christof: Wir sind beide Fahrradfahrer. Das bedeutet, anders in der Stadt unterwegs zu sein und sie mit anderen Augen zu sehen. Ich gehe gerne Wege, die ich nicht kenne und entdecke dabei Neues. Tolle Spots etwa, wie den Schwanenspiegel. Du bleibst hängen, guckst hoch, guckst runter. Das ist etwas, was mich sehr interessiert, viel Raum einnimmt und nie aufhört, denn Düsseldorf entwickelt sich kontinuierlich weiter. Natürlich besuchen wir auch die Institutionen von Zakk bis Schauspielhaus und die Düsseldorfer Museen. Und wir schätzen sehr, dass es in Düsseldorf so viele Programmkinos gibt.

Christof
Info


Das Asphalt Festival findet noch bis 21. Juli statt. An drei Spielorten könnt ihr lokale, nationale und internationale Künstler*innen erleben: 34OST, D’haus Central und auf der Seebühne am Schwanenspiegel. Genießt Theater, Party, Lesungen, Tanz und Konzerte.
Weitere Informationen unter asphalt-festival.de.

Text: Karolina Landowski
Fotos: Kristina Fendesack
Aufmacherfoto: Zu sehen sind Christof Seeger-Zurmühlen (li) und Bojan Vuletić.
Programmfotos: Asphalt Festival (s. Fotocredit)

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