
Studio Baukunst − Von der Kunstakademie Düsseldorf zum Architekturbüro
Interview
„Die Kunst braucht Leute, die sie unterstützen und verstehen. Und davon gibt es viele in Düsseldorf.“
Die Freunde Philipp Bilke und Micky Damm haben an der Kunstakademie Düsseldorf Bildhauerei und Baukunst studiert. 2018 gründeten sie gemeinsam mit Karl-Heinz Petzinka, ihrem früheren Professor und dem ehemaligen Rektor der Kunstakademie Düsseldorf, das Studio Baukunst. Unterstützt von rund 15 Mitarbeiter*innen verfolgt das Trio nun sein Ziel: Düsseldorf um außergewöhnliche Orte reicher zu machen, Bestand zu erhalten, Kunst und Architektur zu vermählen und Bauwerke mit eigener Identität zu entwickeln. Wie das aussehen kann, davon zeugt ihr neu bezogenes Headquarter an der Ecke Oberbilker Allee und Ringelsweide. Dort hat das Studio ein früheres Baumarktgelände in einen eklektischen, architektonischen Mehrklang verwandelt. Im Interview verraten die Mitbegründer Bilke und Damm, warum Düsseldorf ihre Wahlheimat geworden ist und welche Aufträge sie kürzlich an Land ziehen konnten.

Ihr habt vor kurzem euer neues Studio bezogen, einen ehemaligen Baumarkt, den ihr selbst umgebaut habt. Wie kam es dazu und welche Ideen wolltet ihr verwirklichen?
Micky: Wir haben uns städtebaulich mit dem gesamten Areal auseinandergesetzt. Welche Bauobjekte haben wir hier und was können wir daraus machen? Das frühere Verwaltungsgebäude, das wir die „Kleine Villa“ nennen, hatte zum Beispiel Lastreserven – es bestand die Möglichkeit, Geschosse zu ergänzen. Dies war die Voraussetzung für das Gewächshaus, das wir auf das Gebäude gesetzt haben. Für die ehemaligen Baumarkthallen planen wir die Bestandsstruktur in Holzleichtbauweise zu erweitern, um möglichst viel Originalbausubstanz zu erhalten. Im Resultat entsteht etwas Neues, das man so nicht als Neubau planen würde. Wenn man den Bestand erhält, führt das meist zu deutlich interessanteren Räumen.

Philipp: Wir wollen den Häusern eigene Identitäten geben. Die „kleine Villa“ und das sogenannte Rondell sind zwei völlig unterschiedliche Gebäude. Das Rondell haben wir als Ruine vorgefunden und diesen Charakter beibehalten. Die Villa gleich nebenan haben wir mit einer Natursteinfassade versehen, die sie ursprünglich hatte und das gläserne Gewächshaus hinzugefügt.
Bei euch arbeiten Künstler*innen und Architekt*innen gemeinsam an den Projekten. Wie kam es zu dieser Konstellation und was ist das Besondere an eurer Arbeitsweise, auch als ehemalige Studenten der Kunstakademie Düsseldorf?
Philipp: Uns interessiert, den Bestand zu analysieren und die vorhandenen Qualitäten herauszukitzeln. Davon ausgehend denken wir weiter: Wie können wir dem Gebäude zu neuer Identität verhelfen? Wie kann man es an aktuelle Anforderungen anpassen? Darüber hinaus versuchen wir, das Thema Kunst in jedes Projekt einzubeziehen, weil wir Kunst als eine Bereicherung empfinden. Wobei wir weniger klassische Kunst am Bau propagieren. Wir bevorzugen es, die Kunstwerke in die Gebäude zu integrieren und sie mit ihnen zu verweben. Wie im Fall der Natursteinfassade der „kleinen Villa“, zu der der Bildhauer Joscha Bender Ähren in den Fensterlaibungen (s. Foto unten) beigesteuert hat.


Micky: Wenn sich die Architektur immer nur der Architektur bedient, dann sieht das Ergebnis oft gleich aus. Wenn aber Einflüsse aus einer anderen Disziplin hinzukommen, entsteht zwangsläufig etwas Neues. Warum sollte sich die Architektur nicht der Biologie bedienen oder der Philosophie?

Was ist euer aktuell spannendstes Projekt?
Philipp: Wir sanieren im Moment die Staatskanzlei am Rheinufer. Außerdem wird bei uns auf dem Gelände ein Holzbau mit Scheunencharakter auf die Bestandshallen gesetzt, in dem Apartments entstehen werden. Dies ergibt städtebaulich ein spannendes Ensemble: auf der einen Seite dieser große Scheunengiebel, auf der anderen Seite das Gewächshaus und dazwischen die flache, einstöckige Straßenecke mit dem Rondell.
Ihr habt die Häuser eines Innenhofs an der Oststraße ungewöhnlich gestaltet. Man ist überrascht, wenn man den Hof betritt.
Micky: Wir wollten auch dort nicht die nächsten beliebigen Quadratmeter bauen, sondern dem Ort einen Charakter geben. Deshalb haben wir die Häuser mit unterschiedlich farbigem Klinker verkleidet und den Bauherren überzeugt, in die Klinkerfassade ein Muster einarbeiten zu lassen. Der Boden des Innenhofes ist nicht asphaltiert, sondern auch in einem Fischgrätmuster gelegt.
Philipp: Viele der Maßnahmen sind „Sowieso“-Maßnahmen. Wir mussten das Haus sanieren, wir mussten es dämmen. Über energetische Sanierung allein brauchen wir gar nicht sprechen. Das ist heute eine Selbstverständlichkeit. Uns geht es um den nachhaltigen Mehrwert darüber hinaus. Wenn wir sowieso dämmen müssen und wir die Fassade verklinkern, dann müssen wir den Bauherren nur überzeugen, ein bisschen mehr Geld für das Legen des Musters zu investieren. Das Verlegen des Musters kostet kaum mehr, als wenn man darauf verzichtet hätte, dafür bekomme ich aber eine einzigartige Fassade. In unseren Augen ein großer Mehrwert.

Welchen Standortvorteil seht ihr in Düsseldorf?
Micky: Ich finde die Stadt total cool. Sie ist in mancherlei Hinsicht ein Dorf. Ich kann in 20 Minuten mit dem Fahrrad vom Flughafen bis zum Medienhafen fahren. Dennoch gibt es ein Mindset, groß zu denken. Das tut der Stadt gut. Außerdem mag ich das Nebeneinander von unterschiedlichsten Menschen und Lebensentwürfen. Bei den Auftaktveranstaltungen an der Kunstakademie Düsseldorf ist das immer herrlich zu beobachten. Da sitzen in der Aula die kunstinteressierten Damen mit den großen Hüten neben den Künstler*innen in abgewrackten Jeans. Ist es nicht toll, dass es dieses Nebeneinander gibt? Die Kunst braucht Leute, die sie unterstützen und verstehen. Und davon gibt es viele in Düsseldorf.
Philipp: Ein Plus, das für viele Düsseldorfer*innen selbstverständlich ist: Die Stadt ist flach und man kann wunderbar Fahrrad fahren.

Was macht ihr in Düsseldorf, wenn ihr abschalten möchtet?
Philipp: Fahrradfahren im Rotthäuser Bachtal.
Micky: Ich habe Hubbelrath lieben gelernt. Man glaubt, irgendwo im Schwarzwald zu sein. Die Wälder, die Felder, das ist so schön. Ich habe noch einen Tipp: Die Düssel von der Quelle in Gruiten bis Düsseldorf entlangradeln. Wenn man es entspannt angehen lässt, ist man ungefähr zwei Stunden unterwegs. Das ist eine sehr schöne Route.
Welche Orte zeigt ihr Freund*innen, die zu Besuch kommen?
Micky: Die Kirche an der Oststraße, deren Fenster zubetoniert wurden. In den Beton wurde farbiges Glas eingearbeitet. Und das ist 60 Jahre vor Gerhard Richters farbiger Verglasung im Südquerhaus des Kölner Doms geschehen. Eine unglaubliche Arbeit und eines meiner architektonischen Highlights.
Philipp: Auf jeden Fall besonders finde ich das Japanviertel rund um die Immermannstraße. Weil diese Dichte an japanischen Läden und Restaurants außerhalb Japans einfach selten zu finden ist.
Wohin geht ihr aus?
Micky: Als Vater von vier Kindern hat es bei mir mit dem Ausgehen etwas nachgelassen. Aber das Chez Claude in Heerdt ist ein Geheimtipp.
Philipp: Ja, die haben wahnsinnig leckeres Essen und die Atmosphäre ist toll.
Tipp
Ein weiteres Projekt des Studio Baukunst ist der Kultur-Schlachthof, in dem vom 8. bis 17. November 2024 die Streetart-Ausstellung „actsofpostvandalism2024“ gezeigt wird.
Mehr Informationen auf Instagram @kulturschlachthof_ev.
Text: Ilona Marx
Fotos: Markus Luigs