Ballettdirektor Raphaël Coumes-Marquet steht im Probensaal vor dem einem raumfüllenden Spiegel und lehnt an der Ballettstange.

Ballett am Rhein – Ein Interview mit dem Ballettdirektor Raphaël Coumes-Marquet

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„Der größte Erfolg für mich ist es, dass wir es geschafft haben, gemeinsam zu einer Familie zu werden.“

Das Ballett am Rhein hat einen neuen Direktor: Raphaël Coumes-Marquet. Die ersten Monate waren für ihn voller Arbeit, neuer Eindrücke und spannender Premieren wie „Signaturen“. Als Nachfolger des nach Hamburg abgewanderten Demis Volpi lernt Raphaël gerade das Opernhaus, seine Kompagnie aber auch Düsseldorf kennen. Die Leitung des renommierten Düsseldorfer Opernballetts übernimmt der Franzose in enger Zusammenarbeit mit der Choreografin Bridget Breiner. Bereits die erste Premiere sorgte bei Publikum und Presse für Begeisterung. Man darf gespannt sein, wie die Reise am Ballett weitergeht. Wir haben Raphaël Coumes-Marquet im Balletthaus zum Gespräch getroffen.

Bonjour Raphaël, du bist seit einigen Monaten Direktor des Ballett am Rhein. Hattest du schon Zeit Düsseldorf zu erkunden?
Ich muss zugeben, dass ich beruflich sehr eingespannt war. Daher habe ich nicht so viel geschafft, wie ich mir gewünscht hatte. Aber schon mein erster Eindruck war sehr positiv, weil ich die Düsseldorfer*innen als sehr freundlich, offen und warmherzig kennengelernt habe.

Wie verlief die Arbeit an der Oper und mit der neuen Kompagnie bis jetzt?
Die Premiere von „Signaturen“ war aus meiner Sicht unglaublich gut. Und damit meine ich jetzt nicht die Reaktionen von Publikum oder der Presse, obwohl die auch gut waren. Ich meine damit, dass der Probenprozess mit der Kompagnie so positiv war. Wir haben es geschafft, ein inspirierendes Umfeld für alle zu schaffen. Ich spüre eine sehr starke Verbindung zwischen den Tänzerinnen und Tänzern, die sich gegenseitig toll unterstützten. Und man kann in den Augen aller die Freude sehen, wenn sie morgens ins Balletthaus zur Arbeit zu kommen. Der größte Erfolg für mich ist, dass wir es geschafft haben, gemeinsam zu einer Familie zu werden.

Wo bist du aufgewachsen und wie bist du zum Ballett gekommen?
Ich stamme aus einer musikbegeisterten Familie, in der jede*r ein Instrument spielt. Aufgewachsen bin ich in Champagnol im französischen Jura. Mit sechs Jahren haben mich meine Eltern bei einem Ballettkurs angemeldet. Mit elf Jahren bin ich dann auf die Ballettschule der Pariser Oper gekommen. Von da an wurde das Ballett meine „raison de vivre“ (Lebensinhalt / Anm. d. Red.). Es war ein Privileg, an dieser Schule zu sein. Für mich war es ein Glücksfall, den Beruf so früh zu erlenen. Bereits mit zwölf Jahren stand ich in der Opera Garnier auf der Bühne oder war mit der Kompagnie drei Wochen auf Japan-Tournee. Das waren wirklich prägende Erfahrungen für mich. Auch wenn es nicht immer einfach war, weil man an einer derart renommierten Ballettschule sehr früh Druck ausgesetzt ist. Jedes Jahr musste ich vor einer Jury ein Solo tanzen, um in die nächste Klasse zu kommen. Wenn man zwölf Jahre alt ist und das erlebt, verändert das etwas in deinem Kopf, man wird sehr fokussiert und zielgerichtet.

Als Tänzer bist du viel herumgekommen.
Ja, ich habe unter anderem in Monte Carlo, an der Wiener Staatsoper, in Amsterdam und an der Semperoper gearbeitet. Dort in Dresden habe ich auch meine ersten Choreografien erarbeitet, war als Ballettmeister tätig und habe die Kompagnie als Assistent der Direktion betreut. In Dresden habe ich Bridget Breiner kennengelernt, mit der ich seit dieser Spielzeit das Ballett am Rhein führe – sie als Chefchoreographin und ich als Direktor.

Du stehst nicht mehr auf der Bühne, aber trainierst du immer noch?
Ja, ein bisschen. Ich sollte eigentlich jeden Tag trainieren, das schaffe ich aber leider nicht. Dafür gehe ich in Düsseldorf zum Beispiel am Rhein joggen. Das mache ich sehr gerne in der Mittagspause, um den Kopf freizubekommen. Wenn ich mich zu lange nicht bewege, spüre ich das schnell an meinem eigenen Wohlbefinden.

Was konntest du in Düsseldorf trotz deines vollen Terminkalenders schon erleben?
Ich hatte das Glück, mir Verschiedenes beim Düsseldorf Festival anzusehen. Bei der Premiere von „Nabucco“ war ich im Opernhaus. Außerdem habe einige Ausstellungen in den Museen gesehen. Besonders beeindruckt hat mich die Gerhard-Richter-Ausstellung im Kunstpalast, was ein spannendes Museum ist. Ansonsten bin durch die Straßen gelaufen, um die Atmosphäre der Stadt aufzusaugen.

Eine Tänzerin und ein Tänzer bei der Ballettprobe.

Und was steht ganz oben auf deiner kulturellen To-do-Liste?
Ich will unbedingt ein Konzert in der Tonhalle erleben! Außerdem will ich auch die Region um Düsseldorf besser kennenlernen, zum Beispiel nach Köln fahren oder in Essen in die Oper gehen.

Auch wenn du erst seit kurzem in Düsseldorf bist, hast du doch sicherlich einige Restaurant-Tipps?
Das ist schwer zu sagen, es gibt so viele nette Lokale. Ich gehe zum Beispiel sehr gerne ins A Tavola an der Wallstraße. Dort begrüßt man mich sogar schon mit meinem Namen, wenn ich das Restaurant betrete. In Little Tokyo war ich im Yaki-The-Emon, das ist eine sehr entspannte japanische Brasserie. Und daneben ist das Kino Bambi, wo ich mir einen Film über den berühmten Choreografen John Cranko angeschaut habe. Cranko hat als Choreograf das deutsche Ballett in den 1960er Jahren revolutioniert. Er ist quasi der Vater des modernen deutschen Balletts.

Was steht beim Ballett am Rhein denn als nächstes auf dem Programm?
Wir spielen noch bis Ende November „Signaturen“ in Düsseldorf – mit Choreografien von Bridget Breiner, Hans van Manen und David Dawson. Im Dezember kommt dann mit „Krabat“ ein Stück für die ganze Familie auf die Bühne. Im Januar folgt „Drei Meister – Drei Werke“ mit – wie der Titel verspricht – Choreografien von George Balanchine, Hans van Manen und William Forsythe. Das sind drei Choreografen, die das Ballett maßgeblich geprägt haben. Einen weiteren dreigeteilten Abend bringen wir im März mit dem Titel „Kaleidoskop“ auf die Bühne. Einer der Teile, das Stück „Vers und Pays Sage“, ist von Jean-Christophe Maillot, dem Direktor des Ballet de Monte Carlo. Es ist ein wunderbares Stück, an dessen Entstehung ich beteiligt war. Ich hänge auch sehr an diesem Stück, weil es so dynamisch ist.

Das Ballett am Rhein kann man aber nicht nur auf der großen Opernbühne sehen, sondern auch im Rahmen der Reihe „Tanz mit“. Was hat es damit auf sich?
„Tanz mit“ ist ein Programm, das es schon länger gibt. Es fasst verschiedene Veranstaltungsformate zusammen, die es dem Publikum ermöglichen, sich unserer Kunstform, unserer Arbeit, der Sportlichkeit und auch unserer Denkweise auf eine andere Art und Weise zu nähern. Es gibt viele verschiedene Abende oder Happenings. Man kann einen Teil der Choreografie in einer Probe lernen und im Anschluss einfach versuchen, ihn danach im Studio zu wiederholen. Dazu gibt es immer wieder die Möglichkeit, sich den Unterricht und die Proben in unserem wunderschönen Balletthaus anzusehen.

Wie willst du das Ballett am Rhein in den kommenden Jahren prägen?
Bridget Breiner und ich kümmern uns um das Repertoire. Das ist unsere Stärke, dass wir in der Lage sind, zwei unterschiedliche Seelen und vielleicht manchmal auch Energien zusammenzubringen, die uns helfen, ein wirklich breites Repertoire zu erarbeiten und zu vervollständigen. Ich kann nur das einbringen und programmieren, was ich weiß, was ich fühle und was ich erlebt habe. Vieles hat damit zu tun, woher wir kommen und welche Erfahrungen wir als Künstler*innen gemacht haben. Es basiert sicherlich auf der klassischen Schule und der Technik eines Balletttänzers. Aber das Publikum wird Balletttänzer*innen auf der Bühne sehen, die moderne Kunst in ihrer reinsten Form vorführen.

operamrhein.de

Text: Clemens Henle
Fotos: Uwe Kraft
Fotos von „Signaturen“: Yan Revazov für Ballett am Rhein

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