„Gibt es irgendetwas Schöneres, als Menschen glücklich zu machen? Denn das ist unser Job – und daher war es nie eine Frage, ob wir ins Unternehmen mit einsteigen.“
Seit fast 50 Jahren steht der Name Roncalli für zauberhafte Zirkuswelten, Artistik sowie Kunst und Kreativität auch außerhalb der Manege. Roncalli-Direktor Bernhard Paul und sein Team erschaffen immer wieder wunderschöne, atmosphärische Orte, die den Alltag vergessen lassen. In diesem Jahr gibt es erstmalig die Weihnachtspromenade von Roncalli in Düsseldorf. Gleich am Rheinufer stehen die Buden, die an Gewächshäuser erinnern, weil sie vollständig aus Glas sind. So reihen sich die Orangerien aneinander und lassen weitestgehend den Blick frei auf den Rhein. Gegenüber stehen entzückende Foodtrucks, die nichts mit den üblichen Imbissständen gemein haben. Wir haben die Geschwister Vivian und Adrian Paul zu einem vorweihnachtlichen Plausch getroffen und über Weihnachten, Family Business und das Apollo Varieté gesprochen.
Wir befinden uns im Berg Stübli, einer der Orangerien mit Blick auf den Rhein. Das Stübli und der Wilde Hirsch sind Teil der Roncalli-Weihnachtspromenade, die in diesem Jahr zum ersten Mal am Rheinufer stattfindet. Mir sind außerdem die nostalgisch aussehenden Imbisswagen aufgefallen. Ihr Vater, Roncalli-Gründer und -Direktor Bernhard Paul, soll eine sehr große Sammlung alter Zirkuswagen besitzen. Stammen die Wagen aus seiner Sammlung?
Vivian: Ja, wir haben das große Glück, dass wir auf die seit Jahrzehnten andauernde Sammelleidenschaft meines Vaters zurückgreifen können. Einige der historischen Foodtrucks, die auf unserem Düsseldorfer Weihnachtsmarkt stehen, sind aus seiner Sammlung.
Neben den großzügigen Orangerien, fällt auf, dass es auf der Weihnachtspromenade von Roncalli ungewöhnlich still ist. Es wird keine Musik gespielt. Warum haben Sie sich für diese ruhige Atmosphäre entschieden?
Vivian: Wir wollten ein eher ruhiges Ambiente schaffen, eine Art Oase in der trubeligen Vorweihnachtszeit. Auch unsere Orangerien schaffen selbst bei schlechtem Wetter eine gemütliche Atmosphäre und ermöglichen eine sehr schöne Sicht auf den Rhein wie auch auf die Stadt.
Ihr gastronomisches Konzept hebt sich deutlich vom üblichen Angebot auf Weihnachtsmärkten ab: Es gibt Bioglühwein und sogar einen Rouladen-Wagen …
Vivian: Uns war eine Vielfalt an klassischen und etwas exotischeren Speisen sehr wichtig, es soll für jeden etwas dabei sein, auch für Vegetarier*innen und diejenigen, die mal etwas Neues ausprobieren wollen.
Sie betreiben noch zwei weitere Weihnachtsmärkte, in Hamburg – bereits seit 24 Jahren – und in Hannover. Wieviel Roncalli steckt in diesen Märkten?
Vivian: Wir möchten mit allen Roncalli-Projekten Menschen eine besondere Atmosphäre bieten. Der Name Roncalli steht für Qualität und eine ganzheitliche Inszenierung, bei der die Menschen eine schöne Zeit verbringen sollen. Wir setzen hier zwar ein modernes Konzept um, spielen dabei aber mit nostalgischem Flair im besten Sinne.
Haben Sie sich bei der Konzeption von klassischen Weihnachtsmärkten inspirieren lassen – oder sich an Ihrem bestehenden Markt in Hamburg orientiert?
Vivian: Das Konzept in Düsseldorf ist ein komplett eigenes und unterscheidet sich deutlich von unseren beiden Märkten in Hamburg und Hannover. Für diese spezielle Location am Rhein mussten wir uns konkrete Gedanken machen. Vielleicht ist es uns mit der Weihnachtspromenade gelungen, ein klein bisschen mondäner, großstädtischer, aber auch anspruchsvoller und gehobener zu sein – so wie das zu Düsseldorf passt.
Sie sind gerade dabei, das operative Geschäft nach und nach von Ihrem Vater zu übernehmen. Ist es schwierig, in seine Fußstapfen zu treten?
Vivian: Natürlich haben wir großen Respekt vor seinem Lebenswerk, das für uns unglaublich wertvoll ist. Das Geschäft Schritt für Schritt zu übernehmen, ist nicht nur ein Job, sondern es bedeutet auch Familie, es ist unser Zuhause . Deswegen verspüren wir schon einen gewissen Druck …
Adrian: Wenn man in so ein Unternehmen reingeboren wird, kennt man aber nichts anderes. Wie Vivian schon sagt: Wenn wir es nicht weiterführen, dann ist unser Zuhause weg. Glücklicherweise haben wir von unserem Vater die Liebe und die Leidenschaft fürs Unternehmen geerbt und machen es daher gerne.
Sie sind sozusagen in einem Zirkuswagen aufgewachsen. Treten Sie auch als Artist*innen auf?
Adrian: Ich trete das nächste Mal im Januar 2025 auf, wenn ich die Gitarre auf der Bühne des Apollo im Rahmen von „Manhattan Madness“ spiele.
Vivian: Ich habe mich „aus Versehen“ von der Bühne verabschiedet. (Lacht.) Wenn man in die Administration eintaucht, interessiert man sich plötzlich für ganz andere Dinge. Da ich mich verändern und Neues lernen wollte, habe ich mich dann letztendlich gegen die Akrobatik entschieden.
War für Sie von Anfang an klar, dass Sie ins Familienunternehmen einsteigen wollen? Hatten Sie nie den Impuls, vielleicht etwas ganz anderes zu machen?
Adrian: Gibt es etwas Schöneres, als Menschen glücklich zu machen? Denn das ist unser Job – und daher war es nie eine Frage, ob wir ins Unternehmen einsteigen.
Wie ist es, mit den Eltern und Geschwistern zusammenzuarbeiten – überträgt sich die Familiendynamik nicht manchmal ins Unternehmen und den Arbeitsalltag?
Vivian: Natürlich gibt es Höhen und Tiefe, aber meistens Höhen. Man bleibt immer kleiner Bruder und große Schwester, auch bei der Arbeit. Aber wir alle haben unseren Part im Unternehmen gefunden. Ich bin inzwischen vor allem in unserem Winterquartier in Köln in der Verwaltung tätig, Adrian lebt sich sowohl künstlerisch wie auch in der Organisation des Apollo aus und unsere Schwester Lili ist als Artistin unterwegs.
Hat sich Ihr Vater schon komplett aus dem operativen Geschäft zurückgezogen? Ist Bernhard Paul tatsächlich in Rente?
Adrian: Roncalli ist sein Lebenswerk und solange er noch da ist, möchte er mitarbeiten. Das Unternehmen war sein erstes Baby – vor uns. In unserer Arbeit gibt es keine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben. Das Unternehmen ist also sein Leben. Und das bleibt auch noch eine Weile so.
Nach den Feiertagen ist kurz vorm neuen Jahr: Was steht 2025 in Roncalli’s Apollo Varieté auf dem Programm? Was erwartet das Publikum neben „Manhattan Madness“?
Adrian: Ein weiteres Highlight ist die Mitternachtsshow „Lola Land“, eine Mischung aus Burlesque, Artistik und Travestie, die erst kürzlich Premiere im Capitol Theater gefeiert hat.
Vivian: Wir sind an der Konzeption der Show nicht beteiligt, „Lola Land“ ist ein Gastspiel. Es ist uns wichtig, junge Künstler*innen, die neue Projekte umsetzen, bei uns zu fördern. „Lola Land“ ist die erste Produktion, bei der wir das ausprobieren möchten. Wir lassen dem Ensemble dabei kreative Freiheit.
Adrian: „Lola Land“ ist übrigens eine Show 18-plus. Daher haben wir uns auch dazu entschlossen, sie um Mitternacht laufen zu lassen, was gleich ein ganz anderes Flair hat.
Sie haben bereits Ihr Winterquartier erwähnt. Wie muss man sich das vorstellen: Im Sommer ist man mit dem Zirkus unterwegs und im Winter kehrt man ins Quartier nach Köln zurück?
Vivian: Nicht ganz, wir haben im sogenannten Winterquartier unsere Werkstätten, Lager und Büros, die das ganze Jahr aktiv sind. Unser Gelände haben wir seinerzeit vom Zirkus Williams übernommen, es ist also ein historisches Winterquartier.
Wie genießen Sie persönlich die Vorweihnachtszeit? Gehen Sie schon mal privat auf den Weihnachtsmarkt?
Adrian: Für uns ist die Vorweihnachtszeit wenig besinnlich, sondern mit viel Arbeit verbunden, weil wir dann unsere Weihnachtszirkusse und -veranstaltungen vorbereiten.
Vivian: Das heißt, wir müssen uns um Kostüme, Castings und die Artist*innen kümmern. Die kommen aus der ganzen Welt und haben manchmal Visa-Probleme. Aber letztes Wochenende haben wir einen Familienausflug auf unseren Düsseldorfer Weihnachtsmarkt gemacht – das war schön!
Adrian: Ich bereite gerade die nächste Rock Show im Apollo vor – „Manhattan Madness“. Die Show feiert im Januar 2025 Premiere. Und ich werde – ich wie gesagt – selbst auf der Bühne stehe. Dieses Mal geht es um das New York der 1970er Jahre: Blondie, The Ramones, Punk, das CBGBs … Wir präsentieren einen Mix aus Artistik und Livemusik und merken, dass dieses Konzept beim Publikum weiterhin sehr gut ankommt.
An Weihnachten haben Sie hoffentlich frei und Zeit, mit der Familie zu feiern.
Vivian: Eigentlich haben wir zur Weihnachtszeit immer Shows. Wir feiern erst danach gemeinsam. Das ist nicht immer so. Manchmal teilen wir uns auf und sind wegen unserer Weihnachtsproduktionen an verschiedenen Orten. Dieses Jahr haben wir Glück und sind alle zusammen im Berliner Tempodrom, wo unsere Schwester Lili beim Roncalli Weihnachtscircus auftritt.
Also auch Weihnachten richtet sich bei der Familie Paul alles nach dem Zirkus?
Adrian: Ja, weil die Weihnachtszeit der Höhepunkt unseres Jahres ist und viele Shows stattfinden. Dass die Menschen an Weihnachten in den Zirkus gehen, ist ein neueres Phänomen. Früher haben wir im November aufgehört und erst wieder im Mai mit einem neuen Programm begonnen.
Wenn die Familie dann doch zusammenkommt: Feiern Sie traditionell – mit Gans und Rotkohl?
Vivian: Kommt darauf an, welche Küche wir zur Verfügung haben … (Lacht.) Wenn wir im Tempodrom feiern, wohnen wir in unseren Wagen, deshalb geht die ganze Mannschaft nach der Show ins Restaurant. Wir sind sehr familiär. Meine Mutter ist Italienerin. Es ist ihr extrem wichtig, dass alle zusammen feiern – und alle heißt mit unseren Artist*innen und ihren Familien. Da kommen dann schnell 60 Menschen zusammen …
Adrian: Wir sind es so gewohnt und lieben das. Erst einmal essen wir und anschließend geht man von Tisch zu Tisch und quatscht mit allen, die da sind.
Text: Katja Vaders
Fotos: Markus Luigs