
Der Kö-Bogen II und Düsseldorfs grüne neue Mitte
Supergrün in die Zukunft mit Europas größter Grünfassade
Ein Superlativ macht am meisten Spaß, wenn viele profitieren: Der Kö-Bogen II hat Düsseldorfs neue Mitte vollendet und setzt mit Europas größter Grünfassade ein weithin sichtbares Ausrufezeichen in Sachen Klimaarchitektur. Wenn der Frühling die Fassade des Kö-Bogens II erfasst, sprießen zarte, grüne Blättchen an den über 30.000 Hainbuchen, die in 3.500 Trögen wachsen. Im Frühsommer bilden die 1,30 Meter großen Hainbuchenpflanzen neben ihrem dichten Blattwerk hängende gelbe Blüten aus. Zusammengenommen ergeben sie eine Hecke von rund acht Kilometern. Einmal durchatmen und Grün tanken!

Man habe die Jahreszeiten auf der Fassade abgebildet sehen wollen und sei auf der Suche nach einer ortstypischen, möglichst unempfindlichen Pflanze gewesen, gibt der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven zu Protokoll*. Sein Büro hat 2014 den internationalen Wettbewerb zur Neugestaltung des Areals am Gustaf-Gründgens-Platz gewonnen. Zentral für das Konzept: Europas größte Grünfassade. Seit rund drei Jahrzehnten verfolgen Ingenhoven Architects nicht nur ihren umfassend nachhaltigen Ansatz – den Begriff Supergreen® hat man sich schützen lassen. Ebenso lange beschäftigt sich Christoph Ingenhoven bereits mit der Neukonzeption von Düsseldorfs neuer Mitte.
Die ist heute architektonisch insbesondere definiert durch das Zusammenspiel der ikonischen Bauten Dreischeibenhaus (HPP, 1960) und Düsseldorfer Schauspielhaus (Bernhard Pfau, 1969) mit den neuen Wahrzeichen Kö-Bogen I (Daniel Libeskind, 2013) und schließlich Kö-Bogen II, fertiggestellt 2020. Kaum vorstellbar, dass hier noch vor einer guten Dekade der „Tausendfüßler“ mit seinen Spannbetonstelzen eine Schneise durch die Stadtlandschaft schlug – immerhin in Original-Sixties-Manier, aber trotzdem. 2013 musste die Hochstraße weichen. Verzichtbar wurde sie durch den Bau des Kö-Bogen-Tunnels und die damit einhergehende Verbannung des Verkehrs unter die Erde.

Grünes Tal und neue Mitte – Kö-Bogen II
Die 2016 in Betrieb genommene Wehrhahn-Linie mit ihren sechs U-Bahn-Stationen sorgte für weitere Verkehrsberuhigung. Auch die angrenzende Schadowstraße wurde durch dieses stadtplanerische Großprojekt massiv aufgewertet. An der Einkaufsmeile, die zu den meistfrequentierten Deutschlands zählt und die Fußgänger*innen und Radfahrer*innen vorbehalten ist, verlaufen die Glasfronten des Kö-Bogens II. Oder besser: seines Hauptgebäudes – eines bis zu einer Höhe von 27 Metern aufragenden Büro- und Geschäftsgebäudes mit bekannten Modemarken und weiteren Einzelhändlern. Denn der Kö-Bogen II ist zweiteilig: Wechselt man von der Schadowstraße auf den Gustaf-Gründgens-Platz und damit zurück auf die Gebäudeseite mit der terrassenförmig angelegten Grünfassade, rückt das zehn Meter hohe Nebengebäude in den Blick, das dem Hauptgebäude gegenübersteht. Auch hier lebendiges Grün: Das dreieckige Schrägdach ist als begehbare Rasenfläche ausgestaltet. Verweilen, entspannen, die Sonne genießen, alles ausdrücklich erlaubt!

Wer der Einladung folgt, hat einen Logenplatz mit bestem Blick – nicht nur auf all jene, die durch das Ingenhoven Tal flanieren, wie das Areal auch genannt wird. Vom Rasendach der sogenannten Markthalle, die unter anderem einen Burgerladen und ein Café beherbergt, lässt sich die grüne Kulisse vis-à-vis genießen. Doch das Fassadengrün ist nicht nur wohltuend fürs Auge. In Zeiten des Klimawandels ist es ein wertvoller Beitrag zur Stadt der Zukunft. Die Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises bezeichnet den Kö-Bogen II als „Pionierarbeit für künftige Bauvorhaben mit intensiver Fassaden- und Dachbegrünung“. 2021 stand er auf der Shortlist des Awards. Mit dem DGNB-Platin-Siegel, vergeben von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, erhielt das Projekt zudem die höchste Bewertung für ein neu gebautes Geschäftshaus. Hinzu kam die Auszeichnung DGNB Diamant für die herausragende baukulturelle und gestalterische Qualität.
Buchen statt Eichen
Rund 80 ausgewachsene Laubbäume müsste man pflanzen, wollte man den ökologischen Nutzen erzielen, den die Hainbuchen des Kö-Bogens II erbringen. Doch für Stadtverwaldung – frei nach Joseph Beuys, der der Documenta-Stadt Kassel einst 7.000 neue Eichen bescherte – fehlt in der City oft der Platz. Bepflanzte Dächer sind da ebenso eine Lösung wie vertikale Wälder und Gärten. Erprobt werden diese grünen Architekturen heute weltweit, von Mailands Bosco Verticale bis Sydneys One Central Park. Beim Kö-Bogen II bot sich die Treppung des Gebäudes an, um eine möglichst große Pflanzfläche und gute Wachstumsbedingungen zu schaffen, Vorbild: der Terrassenbau in bergigen Regionen. Durch die abgestufte Form und das schräge Dreiecksdach der Markthalle gegenüber bildet sich zugleich das charakteristische Ingenhoven Tal, das sich zum hoch aufragenden Dreischeibenhaus und dem reinweißen, organisch geschwungenen Schauspielhaus hin öffnet. So bereitet es dem berühmten Duo der Nachkriegsmoderne die verdiente Bühne.

Der Kö-Bogen II – ein großer Energiewandler
Versiegelte Flächen aufbrechen: Das lebendige Grün des Kö-Bogens II bindet nicht nur CO₂ und Feinstaub, es produziert Sauerstoff. Es dämpft Lärm und fördert die Biodiversität. Die grüne Gebäudehaut speichert zudem Feuchtigkeit und senkt durch Verdunstung die Umgebungstemperatur. Im Sommer wirken die Hainbuchenhecken dadurch als Hitzepuffer, dass sie das Gebäude verschatten – auch das wirkt sich positiv auf das Mikroklima aus, bedenkt man, dass sich Fassaden bei starker Sonneneinstrahlung schon mal bis auf 70 Grad aufheizen. Diese Wärme strahlt dann wiederum in die Umgebung ab. Auch Starkregenereignissen kann besser begegnet werden. Dem Schwammstadtprinzip folgend, bietet die Begrünung große Versickerungsfläche – ein Effekt, der umso höher ist, als das Dach des Kö-Bogens II bei der Bepflanzung nicht ausgespart wurde.
Das Gebäude sei ein großer Energiewandler, stellt Prof. Karl-Heinz Strauch von der Beuth-Hochschule Berlin fest. Als Phytotechnologe hat er das vegetationstechnische Konzept der Grünfassade wissenschaftlich begleitet. „Fast die Hälfte der Sonnenenergie wird in Wasserdampf umgewandelt. Die Umgebungsluft wird befeuchtet und nicht beheizt. Gebäude wie diese schließen die typisch urbane Lücke im natürlichen Wasserkreislauf. Für das Stadtklima ist das – neben anderen Effekten – besonders wichtig und wirksam.“ Von der „Erweiterung eines auf Kontinuität geplanten Grünraums“ spricht Christoph Ingenhoven, „wir brauchen ein grünes, durchgängiges Netz“.*

Düsseldorf von innen kühlen
Auch Düsseldorf befindet sich mitten im Klimawandel. Laut Daten des Deutscher Wetterdienstes ist die Jahresmitteltemperatur in der Landeshauptstadt von 1949 bis 2024 um 1,7 Grad angestiegen. Es gibt inzwischen etwa 22 Sommertage (Tage ab 25 Grad) und über 382 Sonnenstunden pro Jahr mehr als noch zur Mitte des 20. Jahrhunderts.** Zum Ende des Jahrhunderts könnten die Temperaturen der Landeshauptstadt den heutigen in Toulouse (Düsseldorfs sogenanntem Klimazwilling) entsprechen. Wir bewegen uns auf südfranzösische Verhältnisse zu. Dicht bebaute Innenstädte heizen sich besonders stark auf. Ursachen sind: versiegelte Oberflächen, wärmespeichernde Baumaterialien, mangelnde Luftzirkulation. Düsseldorf muss von innen kühlen, so ein zentrales Ergebnis von zwei Analysen der vergangenen Jahre, dem „Klimaanpassungskonzepts für die Landeshauptstadt Düsseldorf KAKDUS“ (2017) und der „Klimaanalyse 2020“. In deren Rahmen wurde auch der Hofgarten, Deutschlands ältester öffentlicher Park, klimatisch genauer untersucht – angesichts seiner Innenstadtlage eine besonders wichtige Grünfläche. Im Vergleich zum benachbarten Schadowplatz ist es im Hofgarten nachts etwa drei Grad kühler. Tagsüber kann der gefühlte Temperaturunterschied noch deutlicher ausfallen – bis zu zehn Grad.

Link zur grünen Lunge Hofgarten
Wichtig für den Kühlungseffekt und die Klimaresilienz ist die Stärkung blaugrüner Strukturen. Ebendie bietet der knapp 28 Hektar große Hofgarten. Dank der neuen Mitte rückt Düsseldorfs grüne Lunge wieder stärker ins Zentrum der Stadt. Der Kö-Bogen II ist ein grüner Link mit Strahlkraft. Und nicht nur er: Mit dem Kö-Bogen I und der Umgestaltung des vormaligen ÖPNV-Knotenpunkts Jan-Wellem-Platz wird ein weiterer Bogen ins Grün geschlagen – im wahrsten Wortsinn. Es wird der bogenförmige Verlauf nachempfunden, den die historische Hofgartenstraße entlang des Hofgartengewässers Landskrone beschrieb. Im Zuge der Neugestaltung des Areals wurde auch die Landskrone verlängert. An den Hofgartenterrassen bezaubern japanische Blütenkirschen jeden März mit kleinen rosa Knospen. Der Blick geht aufs Gewässer, Schwäne schnattern. Alles im blaugrünen Bereich.
* Vgl. Interview mit Christoph Ingenhoven, erschienen im Juni 2020 in DBZ Deutsche Bauzeitschrift
** Vgl. Klimafolgenmonitoring Landeshauptstadt Düsseldorf 2024
Text: Eva Westhoff
Fotos: Visit Düsseldorf

Führung
Düsseldorfer Klimaspaziergang
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