
85 Jahre Metropol – Ein Interview über das Programmkino in Bilk
„Man kann sagen, dass der deutsche Sexfilm der 1970er Jahre viele Kinos gerettet hat, wahrscheinlich auch das Metropol.“ (Eric Horst)
Das Programmkino Metropol feiert sein 85-jähriges Bestehen. Somit ist es das älteste Kino Düsseldorfs. Das Filmgeschäft spielte lange Zeit eine große Rolle in der Stadt: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden Filmprojektoren vom Hersteller Liesegang produziert, die erste Kinozeitschrift Deutschlands Der Kinematograph wurde in Düsseldorf herausgegeben und im Lauf der Zeit wurden zahlreiche Filme gedreht. Ende des Zweiten Weltkriegs gab es über 100 Lichtspielhäuser und noch in den 1990er Jahren war die Stadt für ihre hohe Programmkinodichte bekannt. Das Programmkino Metropol an der Brunnenstraße hat eine bewegte Geschichte. Erst 2023 wurde es komplett umgebaut. Neben den zwei Kinosälen Cinerama und Phantom ist ein dritter, das Souterrain, hinzugekommen und ist eine Reminiszenz an das kleine Kellerkino in Oberkassel. Wir haben mit Kalle Somnitz, Programmleiter und Gründer der Düsseldorfer Filmkunstkino GmbH, Geschäftsführer Nico Elze und dem Presseverantwortlichen Eric Horst im Programmkino Metropol über die lange Historie gesprochen.

Wir sitzen im sehr schönen, erst 2023 neu gestalteten Foyer des Metropol, das mit seinen 85 Jahren ein äußerst geschichtsträchtiges Programmkino ist. Es ist Teil der Düsseldorfer Filmkunstkino GmbH, die in den 1990er Jahren ins Leben gerufen wurde. Wer hat sie gegründet und welche Kinos wurden unter ihrem Dach firmiert?
Kalle: Unsere GmbH wurde von Udo Heimansberg und mir gegründet. Zunächst war nur das Metropol Teil der Gesellschaft, später kamen Bambi, Cinema und Atelier hinzu, früher gehörten auch die Lichtburg an der Königsallee und das Souterrain in Oberkassel dazu.
Wie seid ihr zu all den Kinos gekommen? Ursprünglich hattet ihr beide nur ein Kino, Udo das Metropol und du, Kalle, das Souterrain …
Kalle: Ende der 1990er Jahre plante die UFA den Bau von zwei Mulitplexen in Düsseldorf und wollte ihre Innenstadt-Kinos schließen – daher taten Udo und ich uns zusammen. Die UFA überließ uns das Cinema in der Altstadt, wenig später meldete sich die Stadt und fragte, ob wir nicht auch die Black Box übernehmen wollten, was wir dann zehn Jahre lang machten; danach bekamen wir noch das Bambi von der Kino-Weltgruppe hinzu. Als die schöne, alte Lichtburg auf der Königsallee schließen musste, baute der Besitzer der Kö-Galerie kurzerhand ein Kino in seine Einkaufspassage, das wir zu einem äußerst fairen Vertrag übernehmen durften – bis die Kö-Immobilie verkauft wurde und wir raus sollten. Wir hatten aber einen Fünf-Jahres-Vertrag – aus dem wir sehr großzügig rausgekauft wurden … (Lacht.) Das Geld haben wir investiert und in den Umbau des Ateliers gesteckt, das sich im Souterrain des Savoy Theaters befand.

Zurück zum Metropol und seine bewegte Geschichte. Welche Ereignisse waren besonders prägend?
Kalle: Eine der prägendsten Geschichten für das Metropol war der Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg. Das Kino wurde bei laufender Vorstellung komplett zerstört. Tragischerweise hörte das Publikum den Bombenalarm nicht und alle starben.
Eric: Der Saal war riesig, hatte 800 Plätze und befand sich eine Etage über dem jetzigen Foyer, in der früher das Hotel Metropol war. Übrig geblieben ist nur das Kellergeschoss, das man im vorderen Teil des Hauses wieder als Kino, allerdings mit nur noch 200 Plätzen, hergerichtet hat.
Das war nicht der einzige Umbau des Metropol Kinos.
Nico: Das stimmt. Es gab einen weiteren in den 1960ern. Später in den 1990er Jahren mietete Udo einen Aufenthaltsraum des Hotels an, der zu unserem zweiten Kinosaal Phantom wurde. Bei unserem letzten Umbau 2023 kam dann noch ein dritter Saal mit dem Namen Souterrain hinzu. Außerdem haben wir unseren großen Saal Cinerama ein bisschen verkleinert, um Platz für ein größeres Foyer zu schaffen, in dem wir bei Veranstaltungen mehr Gäste empfangen können.


Nach dem Krieg hatte das Metropol wenig mit Arthouse-Kino zu tun. Es liefen eher Heimatfilme, was in den 1950ern üblich war. Das änderte sich, als Udo Heimansberg im Jahr 1979 das Kino übernahm. Das brauchte nachhaltige Veränderungen mit sich.
Kalle: Bevor Udo kam, war das Metropol ein klassisches Stadtviertelkino. Er hat aber sofort die Nähe zur Uni erkannt und begann, Vorstellungen speziell für Student*innen zu organisieren. Legendär waren seine Filmnächte, zum Beispiel zu Themen wie Monty Python oder Blues Brothers.
Eric: In den frühen 1970ern wurde im Metropol Grindhouse* Kino gezeigt, zum Beispiel Zombie-Filme, aber auch Filme wie „Schulmädchen-Report“. Solche Filme generierten viel Umsatz, weil man sie nur im Kino und nicht im Fernsehen zeigen durfte. Man kann also sagen, dass der deutsche Sexfilm der 1970er Jahre viele Kinos gerettet, wahrscheinlich auch das Metropol.
*Grindhouse Kino bezeichnete ein Programm, das vor allem Erotik- und Horrorfilme ab 18 Jahren zeigt. Kennzeichnend dafür sind auch Low-Budget-Produktionen und sogenannte B-Movies.

Wie genau machte Udo das Metropol zum Programmkino mit Anspruch?
Kalle: Dass überall Programmkinos entstanden, war eine Folgeerscheinung des Oberhausener Manifests aus dem Jahr 1968, in dem die Filmschaffenden erklärten, Opas Kino sei tot und man wolle keine Heimat- oder Sexfilme mehr machen. Aus dieser Bewegung kamen Regisseure wie Rainer Werner Fassbinder hervor, deren Filme zwar von den Verleihern boykottiert, aber im Programmkino gezeigt wurden. Für Udo war das genau die richtige Zeit, weil er verrückt nach Film und Kino war. Er hat das alles gelebt und quasi im Metropol gewohnt.
Eric: Udo hat aus dem Kinobesuch ein Event gemacht – er selbst hatte den größten Spaß daran. Das haben die Leute an ihm und dem Metropol geschätzt: seinen Elan und dass er auf seine ganz eigene Art und Weise Kultur geschaffen hat, die aus Düsseldorf bis heute nicht mehr wegzudenken ist. Dazu gehören natürlich auch die Menschen, die unsere Kinos machen, die Theaterleiter*innen, Filmvorführer*innen und unsere Mitarbeitenden an der Kasse. Ohne sie wäre das Metropol nicht das, was es ist, sondern nur eine Abspielstätte.

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Aber stirbt das Kino nicht aus, weil junge Menschen Filme meist über Streamingdienste anschauen?
Nico: Es gibt eine Studie der Filmförderungsanstalt, die besagt, dass Leute, die oft streamen, auch häufig ins Kino gehen, weil sie Filme lieben. Im Kino können sie soziale Kontakte knüpfen und sich austauschen. Das macht den Geist des Kinos aus: Es ist ein sozialer Treffpunkt, ein dritter Ort, gerade im Arthouse-Sektor. Daher können wir unsere Publikumszahlen halten, wohingegen viele Multiplexe damit große Schwierigkeiten haben.
Kalle: Und wir werden jünger! Noch vor zehn Jahren war der Altersdurchschnitt unseres Publikums bei fast 60 Jahren, inzwischen ist er deutlich unter 40 Jahren. Das schaffen wir auch mit neuen Konzepten wie einer Kinoflatrate, bei der man einen festen Betrag zahlt und dann so oft ins Kino gehen kann, wie man möchte.
Ich denke, dass die Modernisierung im Metropol auch bei einer jungen Zielgruppe gut ankommt. Aber warum genau habt ihr euch 2023 für die Runderneuerung entschieden?
Nico: Das Kino fiel im wahrsten Sinn des Wortes auseinander. Irgendwann konnten wir das nicht mehr kaschieren und mussten handeln. Da zeitgleich das Hotel Metropol schloss, haben wir die Gelegenheit genutzt, uns zu vergrößern. Mithilfe der Förderprogramme der Film- und Medienstiftung NRW, der Filmförderungsanstalt (FFA) und des Zukunftsprogramms der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) war es zudem möglich, eine zeitgemäße Kernsanierung durchführen, die das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Erst die Digitalisierung, jetzt die Transformation zu nachhaltigen Lichtspielhäusern − was hat sich in den letzten Jahren darüber hinaus verändert?
Kalle: Es gibt aktuell mehr neue Filme als jemals zuvor. Das macht es heraufordernd, ein gutes Programm zu erstellen – und hat zu der Entscheidung für einen dritten Saal beigetragen.
Nico: Vor 20 Jahren haben wir nur halb so viele Filme gezeigt, hatten aber genauso viele Zuschauende. Hinzukommt, dass wir seit der Digitalisierung häufiger unsere Kinosäle vermieten: für private Feiern, aber auch für Betriebsveranstaltungen.
Kommen denn noch die Studierenden, wie damals, als Udo das Metropol übernahm?
Nico: Unser Publikum rekrutiert sich hauptsächlich aus dem sogenannten Bildungsbürgertum. Uns ist wichtig, mit unserem Programm nicht nur zu unterhalten, sondern auch aufzuklären. Dazu gehören Filmabende und -reihen, die die Heinrich-Heine-Universität regelmäßig bei uns veranstaltet.
Kalle: Wir haben bis zu zweimal die Woche Filmschaffende zu Gast. Das war uns schon immer wichtig: Filme nicht nur zu schauen, sondern auch über sie zu reden, bestenfalls mit den Macher*innen.

Das Metropol befindet sich an der Brunnenstraße, gleich am Bilker Bahnhof. Ihr habt damit ein sehr belebtes Umfeld. Wie hat sich eure Nachbarschaft in den letzten Jahren entwickelt?
Nico: Es gibt viel Bewegung an der Straße wie die Neueröffnung des Lokals Bier zu Liebe vom Betreiber des Tigges. Wir haben an der Brunnenstraße aber auch das Sternerestaurant Zwanzig23, den Restaurant-Klassiker Dim Sum oder auch das Laikon, die Nussrösterei nebenan.
Kalle: Wenn die Leute auf der Brunnenstraße unterwegs sind, können sie vor oder nach dem Kinobesuch wunderbar essen gehen, etwas Trinken oder in den Läden in der Nachbarschaft einkaufen – empfehlen können wir eigentlich alles. Wir sind inzwischen eine einzigartige Anwohnergemeinschaft geworden, wie sie wohl auf keiner anderen Straße in Düsseldorf zu finden ist. Das Programmkino Metropol hat dabei die Position des Ältesten. Es gibt auch regelmäßig Kooperationen mit unseren Nachbar*innen, von denen alle profitieren. Wir sind und bleiben also ein Stadtviertelkino, und zwar im besten und herkömmlichsten Sinne.
Weitere Informationen unter filmkunstkinos.de/kinos/metropol.
Text: Katja Vaders
Fotos: Uwe Kraft
(Und Pressefotos aus dem Archiv.)



