Die Kunstakademie
Wer in Düsseldorf unterwegs ist, wandelt automatisch auf den Spuren von Joseph Beuys. Der Weltkünstler führte ein öffentliches Leben in der Stadt, seine Wege und Orte sind gut dokumentiert. Kein anderer Professor trat so medienwirksam auf wie er. Es gibt auch ein legendäres Foto, wie Beuys sein Fahrrad die kleine Treppe an der Eiskellerstraße 1 herunterfährt. Gerrit Terstiege hat die Akademie für uns besucht und beschreibt, wie wichtig sie für den Herzschlag der Stadt ist.
Die weltberühmte Kunstakademie in Düsseldorf ist bis heute das kreative Herz der Stadt: Impulsgeber, Ideenschmiede, Think Tank. Und sie ist ein Ort der Gegensätze. Das beginnt schon mit ihrer Lage – denn die ist versteckt und zentral zugleich. Noch immer gibt es Kultur-Interessierte, die leicht den Weg zur ebenfalls legendären Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz finden – aber nicht wissen, dass in direkter Nähe ein weiteres architektonisches Juwel auf sie wartet. Denn geht man durch die Passage der Kunstsammlung, in der sich links der Eingang zum Museum befindet, gelangt man, entlang der Passage und weiter geradeaus, in wenigen Schritten zur sagenumwobenen Adresse der Akademie: Eiskellerstraße 1.
Bühne und Labor
Für Joseph Beuys war das langgestreckte, leicht schräg zum Rheinufer gelegene Bauwerk Bühne und experimentelles Labor zugleich. Hier, in diesem bedeutenden Bau der Neorenaissance, arbeitete er an der Wiedergeburt der Kunst, an der Ausformung seines Gedankengebäudes, bei der das Sprechen und das Zuhören ebenso wichtig und schöpferisch für ihn waren wie das Zeichnen, Malen und Bildhauern. Dem Künstler ging es immer um die Zukunft, um stetigen Neuanfang – nicht nur der Kunst, sondern der Gesellschaft als Ganzes: „So wie der Mensch nicht da ist, sondern erst entstehen muss, so muss auch die Kunst erst entstehen, denn es gibt sie noch nicht.”
Beuys und seine Klasse
Zur Einstimmung sei der Film „Beuys und seine Klasse” empfohlen, der auf YouTube zu finden ist. Dieser macht deutlich, dass seine Lehre dem Prinzip von Nähe und Austausch folgt: umringt von Studentinnen und Studenten, diskutiert Beuys mit wachem Blick und schneller Auffassungsgabe: Er schweigt, zögert, gestikuliert, fragt nach und postuliert, schüttelt den Kopf und lacht laut auf. Wenn man diese Szenen sieht – sein hageres Gesicht in Großaufnahme wie in Stein gemeißelt – möchte man allzu gerne damals wenigstens für einen Tag dabei gewesen sein, in diesen heiligen Hallen, die übrigens in der Tat hallen. Denn die hohen Decken der Ateliers und die Rundbögen der langen Gänge sind bis heute akustische Verstärker eines jeden Worts, das hier gesprochen wird.
Zweifellos: Das Werk, das uns Beuys hinterlassen hat, ist tief geprägt von seinem Studium und Wirken an der Kunstakademie. Wer also die Rheinstadt liebt, die ohne ihre weit zurückreichende, enge Verbindung zu den Künsten eine andere wäre, der sollte diesen Ort kennen und die Akademie mit ihren reich verzierten Fassaden einmal in Ruhe umschreiten und auf sich wirken lassen. Es lohnt sich!
Text: Gerrit Terstiege
Gerrit Terstiege schreibt für Magazine wie art, Monopol oder Mint und immer wieder gerne über Kunst und Musik aus Düsseldorf.
Foto: Titelbild: Brigitte Hellgoth/ Süddeutsche Zeitung Photo
Galerie: Düsseldorf Tourismus