Die Kunstsammlung NRW
Wer in Düsseldorf unterwegs ist, wandelt automatisch auf den Spuren von Joseph Beuys. Der Weltkünstler führte ein öffentliches Leben in der Stadt, seine Wege und Orte sind gut dokumentiert. Am Grabbeplatz, vor der Kunsthalle, höhlte sein Schüler Anatol den Einbaum für die gemeinsame Rheinquerung aus. Gegenüber, im K20, sind regelmäßig die wichtigsten posthumen Ausstellungen zu sehen: 2010/2011 „Joseph Beuys. Parallelprozesse“ und jetzt zum 100. Geburtstag „Jeder Mensch ist ein Künstler – Kosmopolitische Übungen mit Joseph Beuys“. Gerrit Terstiege hat sich für uns im K20 in der ständigen Sammlung umgesehen – eine Beuys-Show ohne Zeitschranke.
Schwarzer, geschwungener Granit: Mit souveräner Eleganz prägt die Fassade der Kunstsammlung NRW den Düsseldorfer Grabbeplatz. Eine seltsame Fügung des Schicksals wollte es, dass sich Joseph Beuys und jenes große, der Kunst des 20. Jahrhunderts gewidmete Museum praktisch ablösten: 1986, in Beuys´ Sterbejahr, wurde das Gebäude vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker eröffnet. Das war nur wenige Wochen nach dem Tod des Künstlers – und hatte vielleicht sogar für manche etwas Tröstliches.
Palazzo Regale füllt einen ganzen Raum
Neben vielen Hauptwerken der Moderne, von Paul Klee über Max Ernst bis zu Jackson Pollock, finden sich in der Kunstsammlung natürlich auch zentrale Arbeiten von Joseph Beuys. Die vielleicht wichtigste füllt einen ganzen Raum: „Palazzo Regale” („königlicher Palast”) aus dem Jahr 1985: Sieben mit Goldfirnis bestrichene Messingtafeln hängen wie Bilder an den Wänden und sind doch eher blinde Spiegel, die mit zwei massiven Vitrinen korrespondieren, denn deren kubische Rahmen ließ Beuys ebenfalls aus Messing bauen. Die in ihnen versammelten Objekte wirken auf den ersten Blick wie beiläufig hineingelegt und sind doch mit Bedacht ausgewählt. Sie stehen fraglos in enger Verbindung zu den natürlichen und den von Menschenhand gemachten Gegenständen, die im Werk des Künstlers oft in Dialog treten und wie durch ihn verwandelt erscheinen.
Aber die Kunstsammlung NRW besitzt auch eine ganz kleine, weniger weihevolle, ja sogar lustige Arbeit von Beuys: die „Capri Batterie”, bei der er schlicht den integrierten Stecker einer abgewinkelten Glühbirnenfassung in eine Zitrone gesteckt hat. Der eingeschraubte Leuchtkörper, rund, opak und knallgelb, wirkt hier wie das künstliche Pendant zur Südfrucht. Wenn man aber weiß, dass Zitronensäure zur Stromerzeugung genutzt werden kann, wird klar, worum es Beuys eigentlich ging: um ein Sinnbild für die Natur als Kraftquelle.
Wo Warhol Beuys fotografierte
„Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung” heißt übrigens das bis heute erfolgreichste Stück das Dramatikers Christian Dietrich Grabbe, nach dem der Platz vor der Kunstsammlung benannt wurde – allesamt Deutungsmöglichkeiten auch für die kleine „Capri Batterie” von Beuys. Und noch etwas verbindet den Grabbeplatz mit dem Künstler. Direkt schräg gegenüber vom K20 – so die griffige Abkürzung des Museums – traf er in den Räumen der Galerie von Hans Mayer 1979 Andy Warhol. Ein heute legendäres Treffen zweier ungleicher Künstler, mitten in Düsseldorf. Belegt ist diese, ganz schüchtern vorgetragene Frage von Warhol an Beuys: „Darf ich Sie fotografieren?” –Er durfte.
Text: Gerrit Terstiege
Gerrit Terstiege schreibt für Magazine wie art, Monopol oder Mint und immer wieder gerne über Kunst und Musik aus Düsseldorf.
Fotos Galerie: Jeder Mensch ist ein Künstler, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2021, Foto: Achim Kukulies
Foto Titelbild: Düsseldorf Tourismus
Mehr zu Beuys findet ihr in unserem Beuys-Special.