Sechs Ausstellungen zur düsseldorf photo+, die ihr nicht verpassen dürft

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Sechs Ausstellungen zur düsseldorf photo+, die ihr nicht verpassen dürft

Ein Fest der Fotokunst

Düsseldorf und Fotografie, das gehört zusammen wie Altstadt und Altbier, und das nicht allein wegen der berühmten Fotoschule rund um die Düsseldorfer Kunstakademie und das Ehepaar Becher. Nach vorübergehenden Unstimmigkeiten und gesplitteten Terminen hat die Stadt seit 2020 das eine große Festival: die düsseldorf photo+. Über 50 Kunstevents in rund 45 Museen, Galerien und anderen Institutionen versammelt die „Biennale for Visual and Sonic Media“, so der Untertitel der Veranstaltung. In diesem Jahr geht sie in die zweite Runde. Was euch erwartet? Ein aufregender Streifzug durch die aktuelle Fotoszene über die ganze Stadt verteilt! Dabei lohnt es sich absolut, auch in den Off-Spaces vorbeizuschauen – wie ihr der nachfolgenden inoffiziellen, aber dennoch verbindlichen Liste der Must-Sees entnehmen könnt.  

Zur Info: Die düsseldorf photo+ läuft noch bis zum 19. Juni 2022. Mehr zu Ausstellungen, Panels, Talks und Workshops gibt’s unter www.duesseldorfphotoplus.de. 

„Think We Must“ in der Akademie-Galerie 

Wie können wir mit Bildern denken oder imaginieren, wie durch Fotografie Wirklichkeit konstituieren und Gesellschaft verändern? Und wie können wir uns auch als Betrachter*innen von etablierten Narrativen lösen? Besonders gegenwärtig ist Kunst immer dann, wenn sie an vermeintlichen Gewissheiten rüttelt, nicht zuletzt an den eigenen – und genau dieses selbstreflexive Moment bildet den Kern von „Think We Must“. Die Gruppenausstellung in der Akademie-Galerie steht thematisch im Zentrum der düsseldorf photo+. Kuratiert wurde sie von Pola Sieverding, eine der künstlerischen Leiter*innen der Biennale, und Asya Yaghmurian. Der Titel ist übrigens ein Zitat, das wieder traurige Aktualität erlangt hat: „Think We Must“, antwortete die Schriftstellerin Virginia Woolf in einem 1938 veröffentlichten Essay auf die Frage, wie wir einen Krieg verhindern können. „Zudem gilt: ‚Look we must‘ und ‚Tell we must‘“, ergänzen die Organisator*innen. „Und zwar ständig und mit vielen Zungen aus den unterschiedlichsten Perspektiven, um dem näherzukommen, was die vielen ‚Wirs‘ als unsere Realitätssysteme betrachten.“ Mit Arbeiten von unter anderem Natalie Czech, Mischa Leinkauf, Dana Levy, Frida Orupabo, Walid Raad, Hito Steyerl und David Wojnarowicz. 

Thomas Ruff in der Konrad Fischer Galerie 

Um die Macht der Bilder und ihr konstitutives und mitunter manipulatives Potenzial dreht sich auch eine Ausstellung in der renommierten Konrad Fischer Galerie. Hier zeigt Thomas Ruff, einer der bekanntesten Fotokünstler der Gegenwart, zwei Bildserien, die sich mit politischer Propaganda auseinandersetzen: die „tableaux chinois“ und – erstmalig zu sehen – die neue Serie „tableaux russes“. Ruff, Jahrgang 1958, ist ehemaliger Kunstakademie-Student und bei Bernd und Hilla Becher in die Lehre gegangen. Doch der berühmte Schüler der Düsseldorfer Fotoschule greift nicht immer selbst zur Kamera. Oftmals verfremdet er fotografische Vorlagen – durch Farben, Unschärfen, Pixel. Das digitale Zeitalter macht es möglich. Für die „tableaux chinois“ hat sich Ruff chinesische Propagandafotos vorgeknöpft. Sie entstammen dem Magazin „La Chine“, einer speziell für Europa produzierten Zeitschrift der Kommunistischen Partei Chinas, die von den späten 1950er bis in die 1970er Jahre in mehreren westlichen Ländern vertrieben wurde. Die „tableaux russes“ basieren auf historischem Bildmaterial aus Magazinen wie „URSS en construction“ oder „Soviet Union“.  

„Dialoge im Wandel. Fotografien aus The Walther Collection“ in der Kunstsammlung NRW | K21 

Was haben Muhammad Ali, Martin Luther King und Angela Davis gemein? Sie alle stehen für Black Power – und ihr könnt ihnen in der Ausstellung „Dialoge im Wandel“ begegnen. Aber halt, das sind sie ja gar nicht! Es ist „nur“ der 1962 in Kamerun geborene Fotograf Samuel Fosso, der sich für seine Selbstporträts in Ikonen der afroamerikanischen Geschichte verwandelt hat. Dieses Beispiel illustriert, wo es in der aktuellen Schau im K21 langgeht: Immer schön straight an den Klischees vorbei. Rund 500 Fotografien erwarten euch hier, insbesondere von afrikanischen Fotograf*innen, doch es sind auch Künstler*innen von anderen Kontinenten vertreten. So bei der Gegenüberstellung der Porträts von Seydou Këita, die zum Ende der französischen Kolonialherrschaft in den 1950er Jahren in Malis Hauptstadt Bamako ein Fotostudio betrieb, und der deutschen Legende August Sander. Und nicht zuletzt das Nebeneinander von J.D. ‘Okhai Ojeikeres in Nigeria entstandenen Studie „Hairstyles, 1970–1979“ und den Fördertürmen, Wasserspeichern und Gasbehältern von Bernd und Hilla Becher zeigt überdeutlich: Bei den Dialogen im K21 geht es nicht um kulturelle Aneignung, sondern um ein globales Verständnis von Fotografie als Spiegel von Identität und gesellschaftlichem Wandel. Und genau das macht sie so spannend. 

Laure Prouvost in der Julia Stoschek Collection 

Von Nam June Paik über Ólafur Elíasson bis hin zu Pipilotti Rist – seit 15 Jahren versammelt Julia Stoschek die Granden der zeitbasierten Medienkunst in Düsseldorf. In einer ehemaligen Rahmenfabrik im linksrheinischen Oberkassel hat die smarte 46-Jährige eine der weltweit größten Privatsammlungen für Video-, aber auch Film-, Klang-, Multimedia- und Performancekunst aufgebaut. Mit Laure Prouvost könnt ihr zur düsseldorf photo+ dort nun keine Geringere sehen als die Turner-Preisträgerin von 2013 und Künstlerin des französischen Pavillons der Biennale von Venedig 2019. Prouvost ist Jahrgang 1978. Ihre Videoarbeiten und immersiven Installationen drehen sich in erster Linie um die Sprache als Mittel der Kommunikation. In ihren schnell geschnittenen Videos kombiniert die französische Künstlerin Aufnahmen von Menschen, geschriebenen Wörter und Natur- und Alltagsobjekten mit Geräuschen und narrativen Elementen. Surreal und doch sinnlich, und auch hier werden eure Sehgewohnheiten und eure Wahrnehmung einmal mehr auf die Probe gestellt.  

Deniz Saridas und die Klasse Koenraad Dedobbeleers im the pool 

Wünscht ihr euch in Zeiten wie diesen manchmal auch in eine andere Welt? Dann schaut doch mal in der Tersteegenstraße 63 vorbei. Hinter einem neunstöckigen 60er-Jahre-Wohnhaus geplant vom bekannten Düsseldorfer Architekten Paul Schneider-Esleben führt eine Treppe zu einem ehemaligen Schwimmbad, das sich unter der Erde versteckt. Seit vergangenem Jahr wird der namensgebende trockengelegte Pool mit Kunst und Kultur bespielt. Oberirdische Plexiglas-Kuppeln sorgen für Tageslicht und weisen den Weg. „Der Eindruck, sich in einer idealen Parallelwelt zu befinden, die zwischen Piranesis Ruinen und futuristischer Raumstation changiert, möge Kreative aller künstlerischen Bereiche zu inspirierenden Veranstaltungen anregen“, so der Plan der Initiator*innen rund um Architekt Michael Krey, der bei einem Job auf die Location aufmerksam wurde. Leider ein Vergnügen auf Zeit, denn das Areal soll bald neu bebaut werden. Ein weiterer Grund, während der düsseldorf photo+ in diesem Off-Space vorbeizuschauen und sich Deniz Saridas’ „silverframe“ anzusehen, V-Drucke auf schwarzer Reflexfolie, die je nach Betrachtungswinkel und Umgebungslicht verborgene Bildinhalte preisgeben. Auch inspirierend: die ebenfalls hier gezeigten Arbeiten von Kunstakademiestudent*innen der Klasse Koenraad Dedobbeleers. 

Alwin Lay im Le Bureau 

Und noch eine tolle Location, wo ihr sie nicht vermuten würdet. Genauer: in einem siebenstöckigen Gebäude auf dem Vogelsanger Weg 111. Und damit in einer Gegend, die weniger für ihre Kunst- und Kulturszene bekannt sein dürfte als für den TÜV oder die Auffahrt zur A52 Richtung Essen. Hier haben Lars Monshausen und Silke Haars die ehemalige Verwaltungszentrale einer Spedition in einen ungewöhnlichen Kunstort verwandelt. Ungewöhnlich auch deshalb, weil es sich um ein innenarchitektonisches Kleinod mit Originalausstattung aus den 60s/70s handelt. 2021 fanden hier die ersten Ausstellungen statt. Und wenn ihr es bisher noch nicht ins Le Bureau geschafft haben solltet, bietet sich jetzt zur düsseldorf photo+ eine hervorragende Gelegenheit: Unter der Überschrift „Made in …“ werden neue Fotografien und Objekte von Alwin Lay in einer ortsspezifischen Installation gezeigt. Der Kölner Künstler wurde 1984 in Rumänien geboren und hat unter anderem an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. In seinen Fotografien werden Wäscheklammern, Reißzwecken und Luftschlangen zu Akteurinnen – zur Projektionsfläche für unsere allzu menschlichen Sehnsüchte und Hoffnungen.  

Titelbild: HG Esch, © HG Esch 

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