Sechs Ausstellungen, die ihr nicht verpassen solltet
Museumsausblick 2023
Welche guten Vorsätze habt ihr fürs neue Jahr? Vielleicht ist ja der darunter, mal wieder öfter ins Museum zu gehen? Falls nicht, notiert diesen Vorsatz unbedingt auf eurer Liste, denn 2023 wird in Düsseldorf ein aufregendes Ausstellungsjahr. Eines, das Genregrenzen lustvoll auf ihr Durchlässigkeit prüft und insbesondere zeitgenössischen Positionen den roten Teppich ausrollt. Gleich mehrere große Retrospektiven stehen an und, wenn ihr mögt, eine Erkundung der verschiedensten Formate und Disziplinen – von Klang- bis Fotokunst, von der künstlerischen Durchmessung einer hybriden Natur mit den Mitteln der Augmented Reality bis hin zur Vermählung von Kunst und gesellschaftlichem Aktivismus. Oder möchtet ihr das Werk eines wegweisenden Vertreters der klassischen Moderne besser kennenlernen? Ein renommiertes Düsseldorfer Museum spürt ab kommendem Herbst auch der Faszination Horror nach. Für Thrill ist also gesorgt!
„Klangraum KIT: the space between your ears – Bojan Vuletić” im KIT
04.–12.02.2023
Ein unterirdischer Ausstellungsort mit einem Programm, das dem Interdisziplinären einen großen Raum überlässt – trotz seiner begrenzten Quadratmeterzahl. Das KIT, kurz für „Kunst im Tunnel“, liegt zwischen den Tunnelröhren für den Autoverkehr unter dem Mannesmannufer. Ein rougher Betonraum, der 888 Quadratmeter begehbare Fläche bietet und sich im Eingangsbereich durch eine Rampe verjüngt. Nicht zuletzt diese außergewöhnliche Architektur inspiriert zu außergewöhnlichen Ausstellungen, gerne auch unter Einbeziehung von Musik und Klang. Unvergessen beispielsweise die Sonic-Youth-Ausstellung. Im Februar präsentiert der Klangraum KIT mit „the space between your ears“ fünf raumgreifende Klangarbeiten des Klangkünstlers Bojan Vuletić. In der Eröffnungsnacht verbindet Vuletić das installative Kunsterlebnis mit einer Live-Performance: Zu Gast sein werden herausragende Musiker*innen aus New York, London, Israel und Deutschland. Der Name Bojan Vuletić ist euch gut bekannt? Nun, der Mann ist Mitbegründer des Düsseldorfer Asphalt-Festivals und angetreten, Form- und Genregrenzen zu überwinden. Seine eigenen kompositorischen Arbeiten reichen von Kammermusik über Improvisation bis Pop.
„Out of Sight. Andreas Gefeller Fotografien“ im NRW-Forum
03.03.–14.05.2023
Die oftmals großformatigen Arbeiten des Düsseldorfer Fotokünstlers Andreas Gefeller, Jahrgang 1970, besitzen eine unmittelbare Präsenz. Doch zugleich sind sie mehrdimensional, bleiben im Vagen. Bildlogische Brüche werfen Fragen nach der Perspektive und dem Ursprung des Dargestellten auf. Aus zwei Metern Höhe und in tausenden digitalen Einzelbildern sind beispielsweise die Arbeiten der Serie „Supervisions“ (2002–2015) aufgenommen, die urbane Räume wie Plattenbauwohnungen, einen Parkplatz oder das Berliner Holocaust-Mahnmal zeigen. Für seine frühe Werkreihe „Soma“ (2000) fotografierte Gefeller Ferienanlagen auf Gran Canaria – bei Nacht und mit Langzeitbelichtung. So gerät etwas in den Blick, das normalerweise „Out of Sight“ ist, wie sich unter Zuhilfenahme des Ausstellungsstellungstitels sagen ließe. In der Serie „Flames“ (2022) werden Formen sichtbar, die an 3D-Renderings oder Röntgenbilder erinnern. Doch das optische Verwirrspiel, das sich bei Gefeller manches Mal entspinnt, genügt keinem Selbstzweck. Durch den experimentellen Umgang mit Fotografie hinterfragt der Fotokünstler nicht nur sein eigenes Medium und, damit verbunden, unsere Wahrnehmung der Welt – sein Thema ist stets auch die technisierte Gesellschaft und deren Eingriff in die Natur. Dass Andreas Gefeller, dessen Arbeiten schon von London bis Peking gezeigt wurden, nun in seiner Heimatstadt seine erste Retrospektive bekommt (ausgestellt werden 60 Werke), ist ebenso erfreulich wie bezeichnend: Düsseldorf ist und bleibt ein internationales Zentrum der Fotokunst.
„Jenny Holzer“ in der Kunstsammlung NRW | K21
11.03.–06.08.2023
Auch im K21 im Ständehaus kommt ihr mit Start im März in den Genuss einer Retrospektive – genauer: der größten Überblicksausstellung zum Werk von Jenny Holzer, die es bislang in Deutschland zu sehen gab. Die 1950 geborene US-Amerikanerin gilt als eine der bedeutendsten Künstler*innen ihrer Generation. Ihr Werk? Eine Verschmelzung von Kunst und Sprache, Poesie und Aktivismus. Internationale Bekanntheit erlangte Holzer durch ihre „Truisms“ – gleichermaßen einprägsame wie subversive Einzeiler, die politische wie gesellschaftliche Missstände anprangern. Seit den späten 1970er Jahren trägt die Konzept- und Installationskünstlerin diese über verschiedene Medien in die Öffentlichkeit. Zunächst über Plakate, dann beispielsweise auch mittels Projektionen auf Häuserwänden oder LED-Schriftzüge. Holzer experimentierte von Beginn an mit künstlerischen Formaten und neuen Technologien. Ihre Arbeit „Abuse of Power Comes as No Surprise“ inspirierte die #MeToo-Bewegung zu ihrem Hashtag #notsurprised. Doch das komplexe Werk der Künstlerin ist keineswegs auf ihre Einzeiler zu reduzieren, das wird auch in der Ausstellung im K21 deutlich. Präsentiert werden hier neben Holzers Posterarbeiten unter anderem ihre Gemälde und die Arbeiten aus Stein, mit denen sie Themen wie Krieg und Populismus anspricht. Doch ganz gleich, welches ihrer Werke ihr betrachtet – allen gemein ist ein zutiefst demokratischer Anspruch verbunden mit der Aufforderung, sich engagiert in einen kritischen Diskurs zu begeben über die Herausforderungen der Gegenwart. Diskutiert mit!
„AR Biennale: Hybrid Nature“ im Ehrenhof
Mai bis Oktober 2023
Als die AR Biennale im Ehrenhof 2021 Premiere feierte, tat sie dies als weltweit erste Veranstaltung ihrer Art. Im kommenden Jahr präsentiert das NRW-Forum, Ausrichter der AR Biennale, nun die zweite Ausgabe des Kunstevents, der der Augmented Reality als spannender zeitgenössischer Darstellungsform gewidmet ist. Wie bereits 2021 wird auch diesmal wieder ein digitaler Skulpturenpark errichtet. Dass euch dessen Erkundung einerseits durch den Ehrenhof und Teile des Hofartens führt, während ihr euch andererseits via AR-App und Smartphone oder Tablet in eine digitale Welt begebt, macht die Sache äußerst reizvoll – und vertieft das Thema der AR Biennale 2023. „Hybrid Nature“, lautet es und richtet den Fokus auf die Verschmelzung von Natur, Mensch und Technologie. Versammelt sind die Arbeiten internationaler Künstler*innen und Kollektive wie Afroscope (Nana Opoku), Banz & Bowinkel, Nancy Baker Cahill, Okta Collective oder Pau Jiménez. Teils könnt ihr mit diesen in Echtzeit interagieren. „In Zeiten von Konflikten und fortwährenden ökonomischen und ökologischen Krisen ist die Natur wieder zu einem wichtigen Rückzugsort der Menschen geworden“, so die Veranstalter*innen. Im Rahmen der AR Biennale „Hybrid Nature“ erwartet euch ein erweitertes Naturerlebnis, das nicht zuletzt von Visionen einer nachhaltigen Zukunft genährt ist.
„Chaïm Soutine“ in der Kunstsammlung NRW | K20
02.09.2023–14.04.2024
In seinen ausdrucksvollen, aber auch drastischen Werken spiegelt sich das Lebensgefühl einer ganzen Epoche: Chaïm Soutine, geboren 1893, wächst im ehemaligen Kaiserreich Russland (heute Weißrussland) auf, zieht 1913 nach Paris, später auch zeitweise nach Südfrankreich, und freundet sich mit dem Maler Amadeo Modigliani an. Vorbilder findet er in El Greco, Velázquez und Rembrandt, deren Werke er im Louvre bewundert, aber auch in Cézanne, van Gogh und Pierre Bonnard. In den frühen 1920er Jahren gelingt Soutine der internationale Durchbruch als Künstler. Doch Außenseitertum und Zerrissenheit bleiben die Lebensthemen dieses bedeutenden Vertreters der klassischen Moderne, der lange Zeit in äußerster Armut in der Pariser Künstlerkolonie La Ruche gelebt hat. Tote Tiere malt er, wankende Landschaften, verzerrte Porträts, oft von Menschen, die wie er selbst wirtschaftlich und sozial zu kämpfen hatten. Chaïm Soutine war nicht nur Einwanderer, sondern auch Jude. Die Fremdheit und Entwurzelung, die er zeitlebens verspürte, ist das übergeordnete Thema der Ausstellung im K20 und spannt den Bogen bis in die heutige Zeit. In Belarus wurde Soutines Werk „Eva“ 2020 zum Zeichen des Protests gegen das Regime Lukaschenko und zierte, ergänzt um einen Stinkefinger, sogar T-Shirts.
„Tod und Teufel. Faszination des Horrors“ im Museum Kunstpalast
14.09.2023–21.01.2024
Was haben Alexander McQueen und Billie Eilish, der dänische Filmemacher Lars von Trier und die US-amerikanische Malerin, Konzeptkünstlerin und Performerin Eliza Douglas gemein? Sie alle lehren uns bisweilen das Gruseln. So jedenfalls die Arbeitsthese zur Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horrors“, mit der das Museum Kunstpalast uns kommendes Jahr in den Herbst geleitet. Tod und Schrecken als Thema der zeitgenössischen Kunst, aber auch von Mode, Musik und Film – erstmals beleuchtet eine Schau das Erbe und die Fortführung künstlerischer Strategien des Grauens. Das Spektrum der 120 gezeigten Werke reicht von klassischer Malerei und Skulptur bis zu aufwendigen Installationen. Positionen bildender Künstler*innen wie den Chapman Brothers, Berlinde de Bruyckere oder Mary Sibande treffen auf Arbeiten des US-amerikanischen Fotokünstlers Andres Serrano, bekannt für seine Fotografien von Leichen, oder die blutgefüllten Turnschuhe des New Yorker Kunstkollektivs MSCHF. Death Metal fehlt ebenso wenig wie die frühen Horrorfilme des 20. Jahrhunderts, die neben historischen Zeugnissen des „Horror“-Genres aus der Renaissance oder Romantik vor allem der Kontextualisierung dienen. Denn in der Hauptsache versammelt die Schau Werke aus den vergangenen zwei Jahrzehnten. Horror verstört und bewegt, er provoziert, beflügelt die Fantasie und bringt die Dinge auf den Punkt. Damit ist er produktiv für die Zukunft.
Dieser Beitrag ist gefördert durch REACT-EU.
Titelbild: Düsseldorf Tourismus