Sechs Highlights im Botanischen Garten: Von Weltreise bis zum echten VIP
Auf acht Hektar Fläche reist ihr anhand von Flora – und zuweilen auch Fauna – nicht nur in beinahe alle Ecken der Erde, sondern bekommt auch höchstseltene Gäste zu Gesicht.
Im Düsseldorfer Süden liegt mit dem 1979 eröffneten Botanischen Garten eine ganz besondere Grünfläche. Direkt an die Heinrich-Heine-Universität angrenzend, tummeln sich hier ganzjährig nicht nur Student*innen, Professor*innen und das für die Pflege des Geländes an der Universitätsstraße 1 zuständige Gärtnerei-Team. Auch mehr als 6000 Pflanzenarten nennen das Fleckchen im Stadtteil Wersten ihr Zuhause – und das, obwohl sie zum Teil aus den entlegensten Winkeln dieses Planeten stammen. Taucht auf dem rund ein Kilometer langen Rundweg ein in die Welt der Botanik, ohne die wir nicht existieren könnten, die aber immer mehr in Gefahr gerät.
Denn trotz Trends wie Urban Gardening und Farming und dem jüngsten Hype um Zimmerpflanzen verstehen leider immer weniger von uns, wie die Natur und insbesondere die Flora wirklich funktioniert. Um uns darüber aufzuklären aber gibt es, ein Glück, den Botanischen Garten – und Expert*innen wie Larissa Sieben. Sie arbeitet seit einem Jahrzehnt als Gartenmeisterin vor Ort und bildet inzwischen angehende Kolleg*innen aus. Außerdem führt die 44-Jährige immer wieder Interessierte über das Areal (sonntags öffentlich und kostenlos um 15 Uhr, samstags ab 11 Uhr spezielle Tour für Familien mit Kindern; auch ein Audioguide ist verfügbar). Uns hat sie ihre Highlights verraten.
Ein echter Promi, zugezogen aus Down Under
Fast versteckt er sich ein wenig, der vielleicht größte Promi, den der Botanische Garten je gesehen hat. Einmal eingetreten in das 1000 Quadratmeter große Kuppelgewächshaus, braucht es ein paar Schritte vorbei an der Pflanzenwelt der Kanarischen Inseln, ehe er – beziehungsweise sie! – auftaucht: Gestatten, eine waschechte Wollemie! „Im Jahr 1994 entdeckte ein Ranger eine Reihe der Bäume durch Zufall in einer Schlucht in Australien“, erzählt Gartenmeisterin Larissa Sieben, „dabei galt er schon längst als ausgestorben!“ Inzwischen vielfach nachgezüchtet, wächst ein Prachtexemplar nun in Düsseldorf, und der Wollemie scheint es in ihrer Nachbarschaft mit floralen Vertretern aus unter anderem Neuseeland, Asien und anderen Regionen mit warmen Sommern und regenreichen Wintern so gut zu aufgefallen, dass sie 2020 im wahrsten Sinne des Wortes aufblühte. Eine Sensation, als gewinne Fortuna Düsseldorf die Champions League! Und so fand sich der Baum, eben ganz VIP, in sämtlichen Zeitungen, Magazinen und Webportalen wieder. Sogar Nachkommen gibt es inzwischen, die der für das Kuppelgewächshaus zuständige Gärtner plant, im Botanischen Garten auszupflanzen. Bis ein Wollemien-Wald in Wersten wächst, genießt den Anblick von unter anderem Aloe vera, Feige, Eukalyptus und Natternkopf, dessen Blütenstängel bis zu zwei Meter in die Höhe ragen – und dabei den ebenso riesigen Baumfarn grüßen, der diese Erde schon bewohnte, als noch Dinosaurier herumrannten.
Ach so, und wenn ihr das Kuppelgewächshaus verlasst, verpasst nicht die Pflanzenbörse am Eingang. Gegen eine Spende warten Stauden und Zimmerpflanzen auf ein neues Zuhause.
In 80 Minuten um die Welt
Womöglich hätte Jules Verne seinen Buchtitel noch einmal überdacht, hätte der Botanische Garten schon 1873 existiert. Denn wer will in 80 Tagen um die Welt reisen, wenn dies auch in 80 Minuten gelingt? So schnell lauft ihr von Lavendel-Feldern wie in Frankreich über Nordamerikas Sumpfzone in die Pflanzenwelt Chinas. „Zu jeder Jahreszeit, aber ganz besonders im Winter, lohnt sich ein Besuch dieses Abschnitts“, erzählt Larissa Sieben. Denn die Chinesische Winterblüte verströme einen ebenso intensiven wie „unglaublich gut riechenden“ Duft wie die Winter-Heckenkirsche. Nach wenigen Metern passiert ihr die Grenze zu Japan mit unter anderem im Herbst besonders hübsch leuchtendem Laub, ehe ihr den Kaukasus erreicht – und damit einen der Lieblingsplätze von Larissa Sieben. „Ich liebe den Frühling hier ganz besonders! Neben etwa Traubenhyazinthen und Schneeglöckchen blühen hier gleich mehrere Büsche verschiedener Arten von Pfingstrosen!“ Unser Favorit: die weidenblättrige Birne mit silbrig schimmerndem, schmalem Laub. In den europäischen Eichenhainbuchenwald, nur ein paar Hundert Meter weiter, zieht ihr euch am besten im Hochsommer zurück, dann nämlich, wenn die Bäume dank ihres dichten Daches besonders viel Schatten spenden. „Und es gibt bei 30 Grad wirklich nichts Besseres als Verdunstungskälte“, weiß Expertin Sieben.
Nutzgarten – und eine Apotheke unter freiem Himmel
Hättet ihr gedacht, dass auch Äpfel unter Kalzium-Mangel leiden können? Oder sich Pflanzen wie Färberwaid dazu eignen, eurer Jeans ihren typisch blauen Ton zu verleihen? Und erst die Menge an Gewächsen, die unseren Körper vom Blut bis zur psychischen Gesundheit zu beeinflussen imstande sind! All diese Informationen – und unendlich viele mehr erfahrt ihr im Nutzgarten. Er bildet einen Schwerpunkt des Geländes, da hier viele Forschende agieren und zum Beispiel das effektive Wachstum von Reis, Mais und Gerste untersuchen. In eingefassten Beeten entdeckt ihr außerdem verschiedenste Arten von Gemüse, Energie- und Textilpflanzen sowie Kräuter. In der an den Nutzgarten angrenzenden Apotheke unter freiem Himmel wachsen wiederum vom Acker-Schachtelhalm bis zur Wiesen-Schafgarbe rund 100 pharmakologisch relevante Pflanzen, die – wie alle Gewächse der Anlage – frei von Pestiziden und ähnlichen Mitteln gedeihen. Die Etiketten lassen sich sogar per QR-Codes übers Smartphone einlesen. „Zudem freuen wir uns über fünf neue Obstbäume, nämlich Birnen, Äpfel und eine Mirabelle“, ergänzt Larissa Sieben. Alle Sorten stehen auf einer besonderen Liste des Naturschutzbundes (Nabu), da es sich um alte, kaum noch verbreitete Arten handelt. Klar, dass das gesamte Team des Botanischen Gartens die Ernte mit Hochspannung erwartet!
Ein Star auf vier Pfoten
Was wäre Flora ohne Fauna!? Und so tummelt sich auf dem acht Hektar großen Gelände eine Vielzahl von tierischen Bewohnern, die ihr mit etwas Glück zu jeder Jahres- und Tageszeit beobachtet. Ein besonderes Erlebnis stellt dabei sicher das Entdecken der blau-orangefarben gefiederten Eisvögel dar, von denen mindestens zwei im Botanischen Garten leben. „Womöglich handelt es sich um ein Pärchen, das wissen wir aber nicht genau“, erzählt Larissa Sieben. Fest steht: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nämlich dem See unweit des Kuppelgewächshauses, lassen sich die Vögel beim Schnappen eines Fisches erhaschen. Ein seltener, aber kein unmöglicher Anblick! Als etwas weniger scheu erweisen sich die vor Ort ansässigen Nutria, Reiher, Eichhörnchen, Kröten und Kaninchen. Wobei nichts und niemand, weder auf zwei noch auf vier Füßen oder Pfoten, gegen Lucy ankommt! Bei der schwarzen Katze handelt es sich nämlich um den wahren Star des Botanischen Gartens. Dem zugelaufenen Tier, längst auch als „Campus Cat“ bekannt, folgen auf seinem eigenen Instagram-Account bereits mehrere Hundert Menschen, Profilname „bogacathhu“.
Unterwegs in Südafrika
Reinweiß blühende Erika, so groß, dass sie niemals in die sonst für sie gedachten Blumenkästen passen, Steineibengewächse und abermals eine weit über Düsseldorf hinaus bekannte Pflanze: „Willkommen im Südafrika-Haus“ heißt es auf rund 330 Quadratmetern, die euch einen ersten Eindruck von der lokalen Steppenvegetation vermitteln. Das Besondere: Hier wachsen Exemplare, die Botaniker vor einem halben Jahrhundert aus dem Land auf der Südhalbkugel mitbrachten. Heute streng verboten, war der Export von Pflanzen Mitte des 20. Jahrhunderts nicht weiter ungewöhnlich – weswegen zum Beispiel der Brotpalmfarn nun in Düsseldorf wächst. „Älter als die Dinos“, sorgt deren Blüte mit ihren Zapfen und den darin enthaltenen, an rote Mini-Plastikstückchen erinnernde Samen für Aufsehen. Das Schauspiel ereignet sich nämlich nur äußerst selten, rund alle sieben Jahre. Ach so, und falls ihr euch nun fragt, wo die Pflanzen heute herkommen, wenn sie ihre Heimat nicht mehr verlassen dürfen: Botanische Gärten und Universitäten tauschen einfach Samen hin und her, kostenlos und unverbindlich, sogar mit eigenem internationalem Versand. „Wir legen sehr viel Wert darauf, dass bei uns Blumen und Bäume stehen, wie sie auch in der Wildnis vorkommen“, erklärt Gartenmeisterin Sieben. In einem Gartencenter oder einer Baumschule ließen sich diese nicht mehr finden. „Sobald ein Gärtner dran war, ändert er die natürliche Erscheinung zum Beispiel durch Auslese. Das vermeiden wir.“
Nachhaltigkeit
Konflikte wie der Ukraine-Krieg öffnen vielen von uns die Augen – und zeigen uns neben Leid und Schrecken auf, wie sehr die Welt allein in wirtschaftlicher Weise in Abhängigkeit zueinander steht. Wie die Versorgung der wachsenden Bevölkerung machbar ist, untersucht die Forschungsgruppe „Ceplas“, zu der auch Expert*innen der Heinrich-Heine-Universität zählen. Im Botanischen Garten arbeiten sie an und mit Energie- und Nahrungspflanzen der Zukunft, etwa Gerste. „Wir Menschen sind ein wenig faul geworden, was unsere Vorstellung angeht, woher unsere Nahrung kommt“, gibt Gartenmeisterin Sieben zu bedenken. „Das ist niemandem vorzuwerfen, schließlich gibt es alles jederzeit und immerzu im Supermarkt.“ Im Botanischen Garten aber bekommt ihr die Möglichkeit, hautnah und mit allen Sinnen zu erleben, wie wir uns in wenigen Jahrzehnten womöglich ernähren – und wie sich bis dahin eventuell auch unser Denken verändert hat. „Um zum Beispiel die so wichtigen Insekten wieder zu vermehren, hilft es schon, Laub im Herbst einfach liegen zu lassen.“ Unter den alten Blättern nämlich tummelten sich Millionen von Lebewesen, die wieder neues Leben ermöglichen. So funktioniere Nachhaltigkeit. „Die Natur lehrt uns, Geduld zu haben. Auch wenn das Beet eine Weile nicht so schön aussehen mag – da kommt wieder was Neues.“
Geheimtipp
Wenn ihr euren Rundgang durch den Botanischen Garten beendet, verpasst nicht das kleine Gelände schräg gegenüber des Kuppelgewächshauses. „Am Wirtschaftsgebäude“, also auf einer kleinen Fläche vor dem Personalbereich, wartet ein Weg aus Pfirsichkern-Schalen, der euch im Frühjahr zu einer Vielzahl von wunderschön blühenden Alpenveilchen führt.
Titelbild: Düsseldorf Tourismus