Linn Lühn und Ilona Marx sitzen an einem hellen Holztisch in der Galerie.

Ein Gespräch mit Galeristin Linn Lühn über Flingern, Düsseldorf & Köln

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„Die Düsseldorfer*innen lieben ihre Stadt“

Linn Lühn zeigt in ihrer Galerie, einem ehemaligen Getränkelager an der Birkenstraße, internationale Positionen zeitgenössischer Kunst. Die belebte Straße in Flingern hat sich in den letzten Jahren zur wahrhaftigen Galerienmeile gemausert. Lühn, die selbst Künstlerin war, kam 2011 aus Köln nach Düsseldorf. Bewusst arbeitet sie eng mit einer recht kleinen Anzahl von Künstler*innen zusammen, darunter Dike Blair, Sarah Braman und Florian Baudrexel. Die Galeristin engagiert sich aktiv für die Kulturszene im Rheinland und ist Mitbegründerin und Herausgeberin des 2008 gegründeten Cahier, einer vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift, die über zeitgenössische Kunst im Rheinland, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg informiert. Wir trafen Linn Lühn nach dem Jubiläumswochenende der 15. DC Open, des gemeinschaftlich organisierten Galeriensaisonstarts in Düsseldorfer und Köln, in ihren erweiterten Räumlichkeiten.

Ausstellung in der Galerie Linn Lühn, man sieht von der Decke hängende Quilt-artige Arbeiten in deinem Raum aus Beton.
Installation view Places, Pieces, Arrange Whatever Pieces Come Your Way, Martin Boyce, Linn Lühn, Düsseldorf.

Du hast im September anlässlich der 15. DC Open erstmals in deine neuen Räumlichkeiten geladen. Wie war die Veranstaltung?
Die Stimmung zu den DC Open ist immer schön, weil viele Leute sich auf den Saisonauftakt freuen. Ich fand sie dieses Mal besonders gut, was bestimmt auch daran lag, dass durch die lange Covid-Pause eine große Neugierde da war und eine große Lust, wieder Leute zu treffen. Wir haben das Privileg hier im Rheinland, dass wir eine Vielzahl an sehr guten Museen und Institutionen haben, und auffallend ist, dass zu den DC Open viele Kurator*innen unterwegs sind. Es ist eine lokale Veranstaltung, aber wir haben eine sehr starke lokale Szene – zu diesem Termin werden die Energien gebündelt.

Die Birkenstraße entwickelt sich immer mehr zur Galerienmeile. Wie siehst du diese Entwicklung? Ist das für dich deutlich spürbar?
Das ist vor allem spürbar, wenn wir Anlässe haben. Am dritten Januarwochenende veranstalten wir in Flingern traditionell, gemeinsam mit acht Galerien (Galerien Flingern), eine konzertierte Eröffnung und laden anschließend zu Dinner und und Drinks ein. Das Schöne ist, dass dann nicht ausschließlich Kunstpublikum kommt, sondern Interessierte aus allen Bereichen. Ein Rundgang bietet sich an, denn man kann fußläufig gute Galerien und Off-Spaces erreichen, dazu die Filmwerkstatt und die Sammlung Philara. Und auch der einfache Umstand, dass hier im Hof ein großartiger, sehr umtriebiger Bäcker beheimatet ist, trägt dazu bei, dass viele Leute selbst aus Oberkassel oder Gerresheim angereist kommen.
(Bei dem benannten Bäcker handelt sich um die Bulle Bäckerei, deren Hauptgeschäft sich an der Birkenstraße 55 und deren Bistro sich im Hinterhof der Birkenstraße 47 befindet, in unmittelbarer Nachbarschaft der Filmwerkstatt und der Sammlung Philara/Anm. d. Verf.)

Intsallationen in der Galerie.

Wie kam es dazu, dass du eine Galerie eröffnet hast?
Damals, 1999, gab es in Flingern nur Konrad Fischer – die jungen Galerien befanden sich in Köln. Daher habe ich gemeinsam mit meiner ehemalige Kommilitonin Daniela Steinfeld, die heute die Galerie Van Horn betreibt, in unseren Wohnungen Ausstellungen organisiert. Der Kölner Galerist Rafael Jablonka hat das beobachtet und uns ermutigt, einen Off-Space zu eröffnen. Doch wir wollten unsere Kunst zeigen und nicht eine Galerie führen. 2001 eröffnete ich dann doch eine Galerie, gemeinsam mit Jablonka in Köln, an der Brüsseler Straße – Jablonka Lühn. 2006 habe ich mich dann mit der Galerie Linn Lühn selbständig gemacht.

Du bist 2011 von Köln nach Düsseldorf gezogen – warum?
Das war eine rein geschäftliche Entscheidung. 2005/06 sind entscheidende Kölner Galerien nach Berlin gegangen, insbesondere jene mit wichtigen und jungen Positionen. Das machte es schwierig, weil auch die Kölner Sammler*innen nicht mehr in Köln unterwegs waren: Man ist am Wochenende nach Berlin gefahren und hat dort gekauft. In Düsseldorf gab es zeitgleich die Entwicklung, dass sich in Flingern, rund um die Konrad Fischer Galerie, eine neue Szene aufgetan hat. Mit Van Horn, Cosar, Petra Rinck, Conrads und Schönewald. Als damalige Sprecherin der Galerien in Köln stand ich immer in Kontakt mit Alexander Sies von Sies + Höke, der damals Galeriensprecher in Düsseldorf war. Daher wusste ich, dass die Situation dort ganz anders war. Er sagte damals zu mir: „Zieh doch nach Düsseldorf!“ Tatsächlich habe ich mich damals für einen Umzug entschieden und habe es nicht bereut.

Perspektive: Man blickt aus einem Raum durch einen Durchgang und sieht im Hintergrund zwei Frauen im Gespräch.

Du hast selbst Kunst studiert und als Künstlerin gearbeitet.
Ich bin nach dem Abitur nach London gegangen und habe am Central St. Martins College mein Studium begonnen. Dort war das System sehr verschult und ich bin dann für zwei Jahre nach Karlsruhe gewechselt, bis ich in Düsseldorf im zweiten Anlauf angenommen wurde und an der Akademie bis zu meinem Abschluss 1999 studieren konnte. Lustigerweise hatte ich damals mein Atelier hier auf der Birkenstraße, genau gegenüber der Galerie.

Du vertrittst zwölf Künstlerinnen der mittleren Generation. Wie hat sich dein Portfolio formiert?
Von den ersten Künstler*innen, die ich gezeigt habe, kannte ich einige bereits aus dem Studium. Andere habe ich sehr geschätzt und ihre Arbeit verfolgt. Was ich zeigen möchte, was ich interessant fand, war für mich nie eine Frage. Des Weiteren vertrete ich seit Beginn der Galeriearbeit auch historische Positionen wie Meret Oppenheim, William N. Copley und H.C. Westermann. Das sind Künstler*innen, die mir seit Studienzeiten am Herzen liegen.

Blick von oben auf die Fensterbank des Schaufensters. Auf der FEnsterbank liegen verschiedene Hefte.

Düsseldorf hat eine reiche Kunst- und eine hochkarätige Galerienszene. Wie ist der Austausch unter den Kolleg*innen generell?
Positiv und selbstverständlich. Es gibt keinen festen Verbund, aber wir Flingeraner Galerien haben eine eigene Website, galerien-flingern.de, und wir eröffnen in Absprache zumeist gemeinsam. Der Austausch mit den Galerien Sies + Höke und Max Mayer ist ebenfalls sehr konstruktiv. Auch der Kontakt zu Institutionen wie der Kunstsammlung NRW oder dem Kunstpalast sind intensiv – das ist eine Situation, wie wir sie uns immer gewünscht haben. Wenn man als Auswärtiger auch nur einen Tag zu Besuch kommt, kann man die Szene hier umfänglich erleben.

Du hast eine Publikation ins Leben gerufen, die diesen Umstand dick unterstreicht, nicht wahr?
Ja, seit 15 Jahren mache ich Cahier, welches ich gemeinsam mit Vanessa Joan Müller, der ehemaligen Leiterin des Kunstvereins für die Rheinlande & Westfalen, gegründet habe. Dahinter stand die folgende Frage: Wie können wir jemandem, der sich in der Stadt nicht auskennt, nahebringen, was in Düsseldorf und im Umkreis von zwei Stunden erreichbar ist? Unser Reichtum liegt in den Institutionen der Region. Cahier wurde darüber hinaus zum Tool, um Themen zu formulieren, die für die Kunstszene und den Kunstmarkt wichtig sind.

Wohin gehst du selbst, wenn du Kunst sehen möchtest?
Gute Frage! Ich mache das meist, wenn ich auf Reisen bin und dann mehr Zeit habe – und offener bin für Überraschungen und Begegnungen. Dazu besuche ich Galerien, deren Arbeit ich schätze. Natürlich gehe ich auf den Rundgang in der Düsseldorfer Kunstakademie, auf Messen und in Ateliers, was immer eine große Freude ist.

Eine weitere Ansicht der Ausstellung mit textilen, Quitl-artigen Arbeiten.

Hast du ein Lieblingsmuseum?
Die Kunstsammlung NRW ist ein großartiges Museum, die ständige Sammlung ist etwas, das ich mir immer wieder anschauen kann. Und ich bin stets aufs Neue überrascht über die Zusammenhänge und Querverbindungen, die sich in den Räumlichkeiten ergeben. Gespannt bin ich auch auf die Eröffnung des Museums Kunstpalast im November. Und ich empfehle jedem, einmal nach Neuss zu fahren, in die Skulpturenhalle von Thomas Schütte, und sich außerdem die Langen Foundation anzusehen. Zum Abschluss empfiehlt sich ein Besuch im Café Biemel auf der Raketenstation, das unglaublich liebevoll von einem Landsmann von mir, einem Norweger, geführt wird. Da sollte man sich nach einem Rundgang auf dem Gelände unbedingt niederlassen, am besten draußen – ein besonderer Ort.

Gibt es etwas, das du ganz besonders schätzt an Düsseldorf?
Ja, das kann ich dir ganz genau sagen. Die Düsseldorfer*innen lieben ihre Stadt. Sie leben hier gerne – das zeigen sie auch, die Stimmung ist positiv. Wir haben außerdem das Glück, dass Leute sich hier für Kunst interessieren, offen für Neues sind und sich gerne an Künstlerinnen heranführen lassen, die ihnen unbekannt sind.

Wohin gehst du essen, wenn Künstler*innen oder Sammler*innen zu Besuch sind?
Ins Olio!

Und wohin gehst du, wenn du abschalten möchtest?
In meinen Garten.

linnluehn.com

Interview: Ilona Marx
Fotos: Markus Luigs

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