Tattoo Artist Till Pulpanek steht mit verschränkten Armen vor seinen Ölgemälden aus seiner Zeit als freischaffender Künstler.

Im Namen der Rose – Tattoo Artist Till Pulpanek über klassische Tattoos, Formsprache & den Rhein

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Ein Interview mit dem Düsseldorfer Tätowierer Till Pulpanek

Tattoo Artist Till Pulpanek hat an der Kunstakademie beim niederländischen Künstler Jan Dibbets studiert und war sechs Jahre freischaffender Künstler, bevor er sich komplett dem Tätowieren zugewendet hat. Im Unterschied zu anderen Tätowierern findet man ihn nicht in einem Ladenlokal, sondern verborgen in einem Bilker Hinterhof in seinem Privatatelier. Seine Tätowier-Kunst basiert auf traditionellen Stilen, die er neu interpretiert und umsetzt. Wie er von der bildenden Kunst zum Tätowieren kam und was er an Düsseldorf besonders mag? Darüber haben wir mit ihm gesprochen.

Tattoo Artist Till Pulpanek sitzt auf einem hellgrauen Sofa vor einem alten Fabrikfenster.

Tattoos gibt es im Grunde schon seit Menschengedenken. Lange Zeit waren Tätowierungen stigmatisiert, mittlerweile sind sie, wie man so schön sagt, in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Welche Bedeutung haben Tattoos für dich?
Mein Interesse für Tätowierungen ist Sozialisationsbedingt. Ich komme aus dem Punk und der Skate-Kultur. Damit wollte ich mich abgrenzen. Tätowieren gehörte als Ausdruck dieser Abgrenzung dazu. Ich habe mich mit 18 Jahren zum ersten Mal tätowieren lassen. Wenn man sich über eine Subkultur sozialisiert, positioniert man sich bewusst gegen den Mainstream oder auch gegenüber einer gesellschaftlich vorherrschenden Meinung. So habe ich auch das Tätowieren wahrgenommen, was ich später in meine Kunst übertragen habe.

Du hast an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Jan Dibbets studiert und warst anschließend zunächst freischaffender Künstler. Hier in deinem Studio kann man noch einige deiner Arbeiten sehen. Wie war die Zeit an der Akademie und wie hat sie dich geprägt?
Ich bin recht naiv und mit einem sehr romantischen Begriff von freier Kunst ins Studium gestartet. Das hat sich mit der Zeit relativiert, als ich realisiert habe, wie eng Kunstwelt und Kunstmarkt miteinander verbunden sind, und dass nicht nur meine Arbeit im Vordergrund steht. Während meines Studiums hat mich natürlich Professor Dibbets beeinflusst. Ich habe mich lange Zeit mit Architektur beschäftigt, vor allem mit den soziologischen Strukturen, die dahinterstehen. Mir ging es um modernen Urbanismus und wie wir in unseren Städten leben. Das war sozusagen der geistige Überbau, den ich malerisch zu erfassen versucht habe. Die Arbeit unterliegt einem dynamischen Prozess, der die ganze Zeit irgendwie weitergeht. Man ist ja nie fertig. Nach der Akademie habe ich als freischaffender Künstler gearbeitet und das Thema weitergeführt. Damals habe ich angefangen, Sachen zu bauen, die in Kombination mit Malerei stattfanden.

Tattoo Artist Till Pulpanek bereitet sich aufs Tätowieren vor, er trägt blaue Gummihandschuhe und desinfiziert ein Werkzeug.

Kannst du uns deinen Werdegang vom bildenden Künstler zum Tattoo Artist schildern?
Nun ja, das war ein schleichender Prozess. Ich habe mich immer wieder tätowieren lassen und mein Interesse für Tätowierungen ist gewachsen. Olaf Lobe, ein Freund von mir, mit dem ich nach wie vor zusammenarbeite, hat mich da herangeführt. Er hatte sich damals schon länger mit Tattoo-Kunst und den damit verbundenen Traditionen auseinandergesetzt. Wir haben auch Reisen zum Beispiel nach San Franzisko unternommen und dort die Tattoo-Szene kennengelernt. Ich habe schnell gemerkt, dass mehr dahintersteckt als sich mal ebenso irgendein Bild stechen zu lassen. Mit Olaf und einem weiteren Tätowierer habe ich mich außerdem regelmäßig zum Zeichnen verabredet, damals war ich noch freischaffender Künstler. Es sind mir viele Parallelen an unseren Herangehensweisen aufgefallen, die mich schließlich zum Tätowieren gebracht haben.

Eine Wand voller gerahmter Tattoo-Motive.

Es gibt klassische Tattoo-Motive wie zum Beispiel den Anker oder ähnliche Symbole, die darauf hinweisen, dass Tätowierungen in bestimmten Kreisen wie bei Seeleuten üblich waren und eine eigene Bildsprache haben. Du hast hier in deinem Studio einige Vorlagen, die dem entsprechen. Was sind das für Motive? Kannst du uns das erläutern?
Ja, sicher. Kann ich machen. Allerdings hängen hier Sachen, die mir persönlich gefallen und mit meiner Tattoo-Kunst zu tun haben. Ich habe einige traditionelle Flash-Bögen wie sie schon in den dreißiger Jahren in Tätowier-Studios aushingen. Diese Bögen hingen teils von oben bis unten an den Wänden beim Tätowierer. Kund*innen konnten sich daraus ein Bild aussuchen, das sie haben wollten. Die Motive haben eine spezielle Formsprache, die auf Funktionalität (Anm. d. Verf.: Langlebigkeit auf der Haut) ausgelegt ist. Auf den ersten Blick scheinen die Bilder naiv, sind aber sehr reduziert und auf Lesbarkeit angelegt. Im Gegensatz zu anderen Kunstformen ist ein Tattoo einem ständigen Wandel ausgesetzt, weil es sich auf der Haut befindet. Die Haut, also das Trägermaterial des Bildes, verändert sich im Lauf der Zeit. Das für mich Spannende darin ist die Parallele zu meinen Bildern, in denen ich mich mit Architektur auseinandergesetzt habe und ebenfalls eine Formsprache entwickelt habe, die eine einfache Lesbarkeit ermöglicht.

Was genau meinst du mit Lesbarkeit?
Ganz einfach, Lesbarkeit in Bezug auf Erkennen. Auf gewisse Entfernung erkennst du ein Rechteck oder Dreieck besser als eine filigrane, organische Struktur. In Bezug auf Tattoo-Motive bedeutet es, dass du ein Bild auf das Wesentliche reduzierst. Darüber eröffnen sich wiederum Räume für Assoziationen.

Das klingt nach weniger ist mehr. Hast du ein Beispiel?
Das Motiv der Rose ist ein gutes Beispiel, auch weil es gängig ist. Ich habe mich stark mit der Ikonografie von Tattoos auseinandergesetzt. Insbesondere im Kontext des letzten Jahrhunderts. Tätowierer aus den 1920er Jahren haben die Rose auf die wesentlichen Merkmale reduziert, nur das blieb übrig, was eine Rose wirklich ausmacht. Wie gesagt, es geht um die Lesbarkeit des Motivs und darum, dass es Jahrzehnte in der Haut zu überdauert.

Man sieht Tills Hände, die ein Motiv, ein gezeichneter Gewichtheber,halten.

Die Bandbreite der verschiedenen Stile in der Tattoo Art ist sehr groß geworden. Gefühlt gibt es an jeder Ecke ein Tattoo Studio. Wo verortest du dich und wie arbeitest du?
Ich denke, dass man beim Tätowieren auch emotionale Werte verkauft. Man sollte sich also im gewissen Maße in die Person hineinversetzen. Für mich funktioniert die Kommunikation mit den Kund*innen deshalb auch nicht gut über eine Ladentheke. Ein Laden mit Laufkundschaft kommt für mich nicht in Frage, daher habe ich mich bewusst für ein Privatatelier entschieden. Meine Klientel setzt sich aus Freund*innen von Freund*innen zusammen, es läuft also hauptsächlich über Mundpropaganda. Die kennen meine Arbeit und wissen, worauf sie sich einlassen. Ich schicke vorab auch keine Zeichnungen raus. Ich spreche mit den Kund*innen natürlich im Vorfeld. Am Tag der Tätowierung ist die Zeichnung fertig und es geht los. Kleine Änderungen sind möglich. Es ist aber auch allen klar, dass sie ein Unikat von mir bekommen.

Was genießt du an deiner Arbeit als Tattoo Artist besonders?
Das Schöne am Tätowieren ist, dass es sich ein bisschen wie Teamwork anfühlt. Die Arbeit als Maler war sehr einsam. Man sitzt allein im Atelier und es dauert, bis man Resonanz bekommt. Beim Tätowieren ist es eher wie beim Musik machen, es gibt eine Art direkten Applaus.

Man sieht eine Reihe leerer Düsseldorfer Senf Gefäße, in denen Stifte sind, auf einem Schreibtisch. Detailaufnahme.

Du bist ursprünglich aus Münster, wohnst aber seit 1997 in Düsseldorf. Was schätzt besonders an deiner Wahlheimat?
Münster ist auch eine sehr schöne Stadt. Aber der Rhein gibt Düsseldorf etwas Besonderes. Ich hatte viele Jahre in Reisholz ein Atelier direkt am Rhein und habe festgestellt, wenn ich auf den Rhein gucke, habe ich ein ähnliches Gefühl, wie wenn ich aufs Meer schaue. Man kann in die Ferne blicken. Man sieht Schiffe vorbeifahren. Es ist egal, auf welcher Rheinseite du bist, im Naturschutzgebiet oder in der Altstadt. Der Rhein beeinflusst das Stadtbild sehr stark.

Gibt es eine Düsseldorfer Spezialität, die du besonders magst?
Ja, Düsseldorfer Senf, der ist bemerkenswert gut.

Weitere Informationen und Kostproben findet ihr hier.

Interview: Cynthia Blasberg
Fotos: Markus Luigs

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