Michael Becker, Intendant der Tonhalle Düsseldorf, sitzt mit Headset in einem Gespräch.

3 Fragen an Michael Becker, Intendant der Tonhalle Düsseldorf, zu der Reihe „Green Monday“

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„Wir betrachten die Tonhalle als einen Spiegel der (Stadt-)Gesellschaft.“

Die Tonhalle Düsseldorf hat einen sehr spannenden Ansatz gefunden, sich mit einem der drängendsten Themen unserer Zeit auseinanderzusetzen: Den „Green Monday“. Im Rahmen der montäglichen Sternzeichenkonzerte widmet man sich jeweils einem Nachhaltigkeitsthema beispielsweise Energieeffizienz, Abfall und Recycling oder der Anreise mit dem ÖPNV. Besucher*innen der Tonhalle sind aufgefordert sich dazu zu äußern und im „Green Talk“ teilen Expert*innen ihr Wissen. Es sind insgesamt zwölf Symphoniekonzerte, die zur gemeinsamen Reflektion nachhaltiger Themen einladen. Highlights sind die „Green Pieces“, musikalische Gedankensplitter von elf Komponist*innen, die zu Themen wie Recycling ihre musikalische Interpretation beitragen. Zusammengeführt werden die kompositorischen Fragmente im letzten Sternzeichenkonzert am Ende der Saison 2023/24. Wir wollten mehr wissen und haben Michael Becker, Intendant der Tonhalle, drei Fragen gestellt.

Tonhalle Düsseldorf, Konzertsaal mit den Düsseldorfer Symphonikern und Zusaucher*innen.
(Foto: Susanne Diesner)

Die Tonhalle hat gemeinsam mit den Düsseldorfer Symphonikern für die Saison 2023/24 den „Green Monday“ eingeführt. Dabei geht es auch darum den CO2-Fußabdruck zu verringern. Welche konkreten Pläne gibt es, um das zu erreichen?
Wir haben ergebnisoffen typische Parameter des Konzertbetriebs verändert, mit denen wir CO2 reduzieren können. Das Publikum entscheidet darüber, ob es mit diesen Veränderungen – zum Beispiel weniger Licht, anderes Essen, mehr ÖPNV-Anreise – leben kann. Bisher sieht das sehr gut aus. Wir werden also einige CO2-Äquivalente dauerhaft reduzieren können. Was dann noch übrig bleibt, das müssen wir auf andere Weise vermeiden. Wie? Das sagen wir erst in der nächsten Saison …

Der „Green Monday“ ist in die Reihe der Sternzeichenkonzerte, die jeweils am Montagabend stattfinden, eingebunden. Am Anfang steht ein so genanntes „Green Piece“, ein Stück, ein musikalisches Fragment, das Nachhaltigkeit musikalisch einfangen soll. Das Konzept liest sich superspannend, ist aber auch etwas abstrakt. Kannst du uns das bitte erläutern?
Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich: Sie können abstrakt sein, so dass man das konkrete Thema nicht eins zu eins erkennt. Es kann aber auch ganz konkrete Bezüge zum Thema geben: Der Komponist Gordon Hamilton hat zum Beispiel zum Thema „Müll“ ein Upcycling Stück geschrieben, in dem aus Müll und Schrott gebaute Instrumente zu hören sind. Sehr eindrucksvoll fanden wir das Werk eines japanischen Komponisten zum ÖPNV. Es war eher melancholisch und sehr langsam – das muss der Blick aus Japan auf die öffentlichen Verkehrsmittel in Europa gewesen sein.

Stimmungsvolles Bild der Kuppel der Tonhalle, Außenansicht mit rotem Abendhimmel.
(Foto: Anne Schäfer)

Die Tonhalle Düsseldorf bezieht immer wieder Position. Ihr verleiht beispielsweise im Januar 2024 den Menschenrechtspreis an den russischen Menschenrechtler Sergej Lukaschewski oder verweist auf eurer Website auf das Gespräch von Igor Levit mit Robert Habeck. Das ist für Kulturinstitutionen nicht unbedingt üblich. Was ist eure Motivation, euch gesellschaftspolitisch zu engagieren?
Wir betrachten die Tonhalle als einen Spiegel der (Stadt-)Gesellschaft. Musik ist ein wahnsinnig suggestives Medium. Sie kann nicht nur florales Beiwerk sein, sondern kann − ich finde, sie muss − Botschaften aussenden oder begleiten, um bedeutsam zu bleiben. Dies gelingt durch die Verbindung mit sehr konkreten gesellschaftlichen oder politischen Diskussionen. Zum anderen geht das aber auch über Programme, also die Kombination von Musikstücken, die eine größere Geschichte erzählen können als das einzelne Werk. Diese gesellschaftliche Relevanz bekommt eine große Glaubwürdigkeit, wenn sie nicht nur über Gastkünstler*innen, sondern – wie bei uns – durch ein eigenes Orchester als „Bewohner“ des Hauses transportiert wird.

Mehr Informationen zum „Green Monday“ findet ihr unter tonhalle.de.

Michael Becker ist seit 2007 Intendant der Tonhalle Düsseldorf. Er hat nach seiner Schulzeit in Hannover an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf Viola studiert und war Mitglied in verschiedenen Orchestern. In Hannover schloss er außerdem ein Studium am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung ab und arbeitete für Zeitungen wie die Hannoversche Allgemeine und Rundfunkanstalten wie NDR und MDR. Für die Tonhalle hat er „Tonhalle 0-100“ etabliert und so wurde es das erste Konzerthaus in Deutschland, das Musik für jede Altersgruppe anbietet. Er führte außerdem das Jugendsinfonieorchester ein, gründete ein U-16-Orchester und ein Kinderorchester. Mit dem Projekt „Green Monday“ hat er außerdem eine innovative Reihe initiiert, ein Forum zur Diskussion über Klimaschutz in einem musikalischen Rahmen.

Interview: Cynthia Blasberg
Aufmacherfoto: Portrait von Michael Becker, Foto: Susanne Diesner

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