Große Gruppe Frauen bei einer Rennradausfahrt in der Natur.

3 Fragen an Kerstin Kortekamp zur Frauenbewegung Rennrad

|

„Damit Frauen sich vom Rennradfahren angesprochen fühlen, braucht es Sichtbarkeit und Selbstverständlichkeit.“

Kerstin Kortekamp ist Mitinhaberin von Schicke Mütze, dem Store für Rennrad und Gravelbike. Die 57-jährige hat zwei erwachsene Töchter und ist bereits fünffache Großmutter. Sport ist ihre Leidenschaft, insbesondere aber Radsport. Vom Mountainbike sattelte sie um, nachdem sie ihr erstes Rennrad bei einer Tombola gewann. Die erste Ausfahrt ließ nicht lange auf sich warten und sie war begeistert. Für die weniger Radaffinen: Ausfahrten sind Touren in Gruppen, zu denen sich die Bike-Community zusammenschließt. Dabei gibt es unterschiedliche Kategorien wie zum Beispiel Gravel- oder Rennradausfahrten. Nachdem Kerstin bereits einige Rennradausfahrten exklusiv für Frauen organisierte, hat sie 2018 die „Frauenbewegung Rennrad“ ins Leben gerufen, ein offenes Veranstaltungsformat, das seit 2023 wöchentliche Ausfahrten anbietet.

Porträt von Kerstin Kortekamp.
Kerstin Kortekamp, Initiatorin der „Frauenbewegung Rennrad“.

Wie ist die Idee zur „Frauenbewegung Rennrad“ entstanden und was genau verbirgt sich dahinter?
Rennradausfahrten zu organisieren war und ist ein Teil der DNA von Schicke Mütze. Die Ausfahrten waren allerdings gemischt. Es waren deutlich mehr Männer dabei und ohnehin ist der Radsport von Männern dominiert. Es gibt aber Leistungsunterschiede zwischen Männern und Frauen wie zum Beispiel in Bezug auf das Tempo. Das bedeutet, dass man als Frau oft unter Leistungsdruck steht, um mithalten zu können. Hinzukommt, dass sich Frauen in der zahlenmäßig überlegenen Herrengesellschaft manchmal nicht wohl fühlen. Früher fand ich es besonders cool und eher schmeichelhaft in einer Männergruppe anerkannt zu sein, mittlerweile halte ich das für Blödsinn. Denn das spricht nicht für ein gesundes Selbstbewusstsein als Frau. Frauen auf Rennrädern ist – wie ich finde – nicht weiter ungewöhnlich. Zwar ist ihr Anteil noch gering, aber er wächst. Damit noch mehr Frauen sich vom Rennradfahren angesprochen fühlen, braucht es aber Sichtbarkeit und Selbstverständlichkeit.

Drei Rennradfahrerinnen bei einer Pause, eine lacht fröhlich.

Ein wichtiger Impuls kam 2013 von dem Radbekleidungshersteller Rapha mit der „Women’s 100“. Eine Aktion, die sich zu einer Art Weltfrauentag für Rennradfahrinnen entwickelt hat. Mit der „Women’s 100“ sind Frauen weltweit aufgerufen an diesem Tag 100 Kilometer oder auch mehr zu fahren. Ich bin 2013 – mit einer Gruppe von drei Frauen und 30 Männern – diesem Aufruf gefolgt. Die Männer haben wir kurzerhand spaßeshalber zu „Uschis“ erklärt. Im folgenden Jahr waren wir bereit 16 Frauen und im dritten Jahr über 40. Das war für uns so etwas wie die Initialzündung für reine Frauenausfahrten, die seit 2018 unter dem Titel „Frauenbewegung Rennrad“ laufen.

Frauenrennen beim Event "Rund um die Kö".

Hat sich die Wahrnehmung von Frauen im Rennradsport mittlerweile verändert? Und konnte die „Frauenbewegung Rennrad“ dazu beitragen?
Ja, es hat sich schon viel getan. Beispielsweise ist Demi Vollering die erste Profifahrerin mit einem Millionenvertrag. Es gibt wieder eine Tour de France für Frauen – und sie wird im Fernsehen übertragen. Auch im Freizeitbereich kommen immer mehr Frauen auf den Geschmack. Ich denke, wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu beigetragen. Ein Beispiel: Mit Schicke Mütze sind wir seit 2016 im Orga-Team für das Rad-Event „Rund um die Kö“. Ich habe mich stark dafür eingesetzt, dass auch ein Frauenrennen stattfindet. Es war mir wichtig, dass es ein Rennen gibt, bei dem die Strecke auf der Königsallee den Frauen gehört. Denn das trägt dazu bei, dass Radsport für Frauen interessanter wird. Und es funktioniert, denn es gibt jedes Jahr genug Anmeldungen für Frauenrennen, die ebenso spannend sind und das Publikum begeistern wie die anderen Rennen.

Frauen fahren Rennrad.

Hast du einen Tipp für Frauen, die Rennrad fahren?
Tipps habe ich viele, aber mein erster Tipp für Frauen in der Region ist, mit uns, der „Frauenbewegung Rennrad“, mitzufahren. Uns wird oft gespiegelt, wie toll es sei, gemeinsam mit anderen Frauen über die Wege zu rollen – ohne Leistungsdruck. Man findet bei uns leicht Anschluss und lernt neue Leute kennen. Während unserer Ausfahrten hat man genügend (Atem-)Luft und Zeit sich zu unterhalten – über das Radfahren und alle möglichen anderen Sachen. Es ist auch eine gute Gelegenheit unter Frauen zu netzwerken. Mein zweiter Tipp: Meint man es mit dem Rennrad fahren in puncto Radrennen ernst, empfehle ich, sich einen passenden Verein zu suchen. Dort gibt es zahlreiche Möglichkeiten zielgerichtet zu trainieren und die eigene Leistung zu steigern. Darüber hinaus finden Frauen im Verein eher Gleichgesinnte, um beispielsweise gemeinsam bei Rennen zu starten. Ein weiteres Plus: Je mehr Frauen in Vereinen aktiv sind, umso besser lassen sich die Strukturen im Radsport im Sinne der Frauen verändern.

schickemuetze.de

Rennradfrauen unter einer Brücke., Gruppenfoto.
Info


Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann einfach in die Facebook-Gruppe „Frauenbewegung Rennrad“ schauen und sich für eine Ausfahrt anmelden. Die Anmeldung kostet einen Betrag, den die jede Teilnehmerin frei wählen kann. Die Beträge werden gesammelt und ohne Abzüge an die Organisation World Bicycle Relief gespendet. Die NGO versorgt mit den Spendengeldern Menschen in Schwellenländern mit Fahrrädern. Das Ziel ist, zu mehr Mobilität zu verhelfen: Kinder in ländlichen Gebieten können zur Schule fahren, anstatt lange Strecken laufen zu müssen. Arbeitsplätze werden besser erreichbar und Lastenräder ermöglichen Transporte ohne Auto.

Interview: Cynthia Blasberg
Fotos: Kerstin Kortekamp

Jetzt zum Newsletter anmelden und keine Neuigkeiten mehr verpassen