Schwarzweiß Foto von einem Richter-Gemälde auf dem eine liegende Frau zu sehen ist, davor ein Metallpodest aus Stufen.

Creamcheese-Bar im neuen Kunstpalast

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Keimzelle der deutschen Popkultur: Das original Creamcheese der sechziger Jahre

Der legendäre Club kehrt als Creamcheese-Bar mit Originalwerken zurück nach Düsseldorf. Mit der Wiedereröffnung des Kunstpalastes im November 2023 wurde ein vollkommen neuer Raum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: die Creamcheese-Bar. Der Kunstpalast stellt dort die zum Teil rekonstruierte Inneneinrichtung sowie Originalkunst des weltweit beachteten Clubs, der einst im Herzen der Düsseldorfer Altstadt an der Neubrückstraße 12 existierte, dem Publikum vor.

Schwarzweiß Bild von Gästen im Creamcheese, auf die Bilder projiziert werden.
Projektion von Ferdinand Kriwets „Rundscheiben“ im damaligen Creamcheese in der Altstadt.

Günther Uecker, Maler, Objektkünstler und Initiator des original Creamcheese, hat den Kunstpalast bei der Umsetzung des Raums unterstützt. Uecker, geboren 1930 in Wendorf bei Crivitz, rief den Laden einst in der Düsseldorfer Altstadt ins Leben und zeigte sich damit als Visionär. Denn der Club war viel mehr als nur Kneipe, Bar und Tanzraum: Das 1967 eröffnete Creamcheese stellte die deutsche Gesellschaft und ihre Moralvorstellungen jener Jahre auf eine harte Probe und die Macher krempelten das Kunstverständnis der damals jungen Bundesrepublik völlig um.

Von The Dom zum Creamcheese

Grund dafür war Ueckers Reise in die USA und die dort geschlossene Bekanntschaft zu Andy Warhol. Warhol hatte im April 1966 im heruntergekommenen East Village New Yorks eine polnische Tanzhalle gemietet, von seinen Mitarbeitenden alle Wände weiß streichen, einen drehbaren Spiegelball in der Mitte des Raums aufhängen und unzählige Scheinwerfer, Film- und Diaprojektoren aufstellen lassen. Er ließ dort seine Hausband The Velvet Underground spielen und faszinierte die Gäste mit einer bis dahin nie gesehenen Performance. Zu den eigenwilligen und abstrakten Klängen der Band um Lou Reed und John Cale sandte Warhol tausende flimmernde Lichter in den Raum, zeigte Filme, die − sich überlappend und in Endlosschleifen abgespielt − den Raum in ein Inferno aus Licht und Sound verwandelten. Warhol nannte seinen temporären Club The Dom und Uecker ließ sich davon nachhaltig inspirieren. Davon, und von einer Begegnung mit Frank Zappa, Komponist, Musiker und Regisseur. So diente die Kunstfigur Suzy Creamcheese, die in zahlreichen Songs von Zappa auftaucht, als Namensgeberin des Düsseldorfer Clubs.

Foto des Manifests von Uecker und Kriwet.
Das von Günther Uecker und Ferdinand Kriwet verfasste Manifest.

Noch auf dem Rückflug verfasste Uecker gemeinsam mit seinem Freund Ferdinand Kriwet das Creamcheese-Manifest. Darin heißt es unter anderem: „Ich will eine Gesellschaft auf der Flucht vor sich selbst am Ort ihrer Wünsche zeigen“, „Licht, Terror, Blitz, Aktion, Schall, Stille“ und „Neue Wirklichkeiten: Neue Möglichkeiten”. Das Manifest diente jedoch nicht nur den Künstlern, die Uecker einlud, das Creamcheese gemeinsam mit ihm zu gestalten als Leitfaden, es wurde auch zu so etwas wie einer Gebrauchsanweisung für das zukünftige Publikum, wenn das Manifest proklamiert: „Wir überleben nicht. Wir erleben”, „Kunst ist Unterhaltung” und „Machen Sie sich frei… Seien Sie selbst“.

Foto der originalen Bar von Heinz Mack.
Die Bar von Heinz Mack im ursprünglichen Creamcheese der sechziger Jahre .

Die eingeladenen Künstler, darunter auch Mitglieder der Künstlergruppe ZERO um Ueckers Weggefährten Heinz Mack, ließen sich für das Creamcheese ganz besondere Werke einfallen. Sie gestalteten den Club derart einzigartig, dass er schon bald zum weltweit beachteten Szeneclub wurde. Dort verzahnten sich experimentelle Kunst aller Sparten sowie Musik, Tanz und Gastronomie eng miteinander: Macks Theke aus poliertem Aluminiumblech, Ueckers Werk „Der Nagel/Electric Garden“, Gerhard Richters Wandbild „Pin Up“, ein großformatiges Fallenbild von Daniel Spoerri, Adolf Luthers Spiegel und Ferdinand Kriwets Rundscheiben wurden für die Gäste zur begehbaren Ausstellung. Die von Lutz Mommartz und Günther Uecker konzipierte Fernsehwand galt als frühe Medieninstallation.

Der Nagel hinter Gittern von Günther Uecker, der im Eingang des Creamcheese hing.
Günther Ueckers „Nagel„ im Eingangsbereich des Clubs.

Der vom Gastronom*innenpaar Bim und Hans-Joachim Reinert betriebene Laden machte schließlich möglich, was sonst nirgends denkbar war: Musik, Aktionen, Filme, Theater, Literatur, Mode, Tanz – alles war erlaubt, willkommen und partizipativ, ganz im Sinne der allgemeinen Revolte gegen die bürgerlichen Ideale in den 1960er Jahren. Im Creamcheese spielten damals Bands wie etwa Can aus Köln, Tangerine Dream aus Berlin und eine frühe Formation der Band Kraftwerk. Auch Jimi Hendrix und Frank Zappa waren Gäste des Clubs. Während hinter der Theke nicht selten auch junge Künstler*innen wie etwa Imi Knoebel, Blinky Palermo oder Katharina Sieverding arbeiteten, führten bereits etablierte Künstler wie Joseph Beuys, Joachim Duckwitz, Anatol Herzfeld, Ulrich Meister und Johannes Stüttgen vielbeachtete Kunstaktionen im Creamcheese durch. Schon früh erhielt der Club eine erste museale Aufmerksamkeit: „Das ist keine Kneipe“, stellte der damalige Documenta-Gründer und -Leiter Arnold Bode fest, „sondern ein Gesamtkunstwerk“ und lud die Betreiber 1968 kurzerhand auf die Documenta 4 mit einer Dependance des Creamcheese ein. Als der Club im Jahr 1976 schließen musste, kaufte die Kunstsammlung schließlich Teile des Gesamtkunstwerks auf und lagerte die Werke vorausschauend ein.

Vom Club in der Altstadt zur Installation im Museum

Die aktuelle Rekonstruktion des Creamcheese-Raums im Kunstpalast Düsseldorf lässt nun erahnen, welchen Stellenwert er in der einstigen Kunst- und Kulturwelt hatte. Und auch welche Strahlkraft vom Düsseldorfer Kunstbetrieb und dem heute 93-jährige Günther Uecker mit seiner revolutionären Idee, Kunst neu zu denken, einst ausging.

kunstpalast.de

Tipp: Die Bar im Creamcheese-Raum ist nicht nur eine Installation, sondern ihr könnt dort am Wochenende echten Barbetrieb erleben.
Öffnungszeiten: Freitag & Samstag von 19 bis 1 Uhr.

Text: Sven-André Dreyer
Fotocredits
Aufmacherfoto
Gerhard Richters „PIN UP“ im Creamcheese. 1967 Kunstpalast Düsseldorf / © Foto: Bernd Jansen, VG Bild-Kunst, Bonn, 2023 © Werk: Gerhard Richter
Weitere Fotos
Projektion von Ferdinand Kriwet: 21.7.1967 Schenkung Anita Wandrey, Kunstpalast Düsseldorf / © Foto: Hanns Hemann © Werk: Nachlass Ferdinand Kriwet
Creamcheese-Manifest: Düsseldorf Tourismus
Die Bar von Heinz Mack im Creamcheese. Undatiert Kunstpalast Düsseldorf / © Foto: Walter Klein © Werk: Heinz Mack, VG Bild-Kunst, Bonn, 2023
Günther Ueckers Nagel im Creamcheese. 1972 Schenkung Anita Wandrey, Kunstpalast Düsseldorf / © Foto: Bernd Jansen, VG Bild-Kunst, Bonn, 2023 © Werk: Günther Uecker, VG Bild-Kunst, Bonn 2023

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