„Ich hatte mir geschworen, sollte ich je in meine Heimat zurückkehren, dann nur mit einem Michelin-Stern im Gepäck.“
Die japanischen Restaurants Nagaya und Yoshi by Nagaya in Düsseldorf sind beide mit jeweils einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Somit ist Yoshizumi Nagaya der einzige Japaner in Deutschland der zwei Sterne-Restaurants führt. In Japan würde man ihn Großmeister nennen. Nur wenige Schritte voneinander entfernt überraschen die Lokale mit zwei unterschiedlichen kulinarischen Konzepten. Während im Nagaya an der Klosterstraße eine ungewöhnliche Kombination aus traditionell japanischem Purismus und europäischer Haute Cuisine propagiert wird, hat sich der Ausnahmegastronom im 2016 auf der Kreuzstraße eröffneten Restaurant Yoshi by Nagaya der klassischen Kaiseiki-Küche1) verschrieben. Gelernt hat Yoshizumi Nagaya sein Handwerk bei Toshiro Kandagawa in Osaka, einem Meister der traditionellen japanischen Küche, und bei Takada Hassho in Gifu, einem Verfechter der innovativen Kochkunst. Wir haben Yoshizumi Nagaya in Little Tokyo zum Interview getroffen.
Sie sind der einzige japanische Koch in Deutschland, der mit für seine zwei Restaurants mit je einem Stern dekoriert wurde. Was bedeutet das für Sie?
Um ehrlich zu sein, denke ich im täglichen Geschäft überhaupt nicht darüber nach. Wir arbeiten stetig daran, die Wünsche unserer Gäste zu befriedigen, sie dauerhaft glücklich zu machen. Das ist es, worüber wir nachdenken.
Welche Rolle spielt der Standort Düsseldorf für Ihre Arbeit?
Eine Große. Hier gibt es so viele japanische Produkte wie wahrscheinlich nirgendwo anders in Deutschland. Und das Produkt steht ganz klar im Vordergrund meiner Küche.
Seit wann leben Sie in Deutschland?
Wir sind 2000 nach Deutschland gekommen – auf Wunsch meiner Frau. Sie war neugierig, wollte das Leben in Europa kennenlernen. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung, nach Düsseldorf zu ziehen, waren der japanische Kindergarten und die japanische Schule.
Träumten Sie damals schon von einem eigenen Restaurant?
Nein, zunächst nicht. In Japan war ich angestellt und als wir hierherkamen, arbeitete ich zunächst im Oberkasseler Restaurant Edo als Küchenchef. Leider schloss das Restaurant schon sechs Monate später. Ich ging dann für ein Jahr nach Mailand, um im Nobu zu arbeiten, ein sehr bekanntes Restaurant, mit etwa 40 Filialen weltweit. Doch dann wollte ich zurück zu meiner Familie nach Düsseldorf und fasste den Plan, mich selbstständig zu machen.
Hatten Sie eine konkrete Vision von Nagaya in Düsseldorf?
Nun, mein Meister und auch die Kolleg*innen hatten mir einst davon abgeraten, nach Europa zu gehen. Ich wollte also auf keinen Fall nach Japan zurückkehren, ohne einen Erfolg vorweisen zu können. Damals gab es in Japan noch keinen Guide Michelin und folglich auch keine Sterne. Ich hatte mir geschworen, sollte ich je in meine Heimat zurückkehren, dann nur mit einem Michelin-Stern im Gepäck.
Könnten Sie sich auch vorstellen, in einer anderen deutschen Stadt zu leben und zu arbeiten?
Nein, obwohl mir Hamburg auch gefällt, ist Düsseldorf etwas ganz Besonderes für mich. Und das liegt nicht nur daran, dass ich hier alle Produkte finde, die ich für meine Küche brauche. Düsseldorf ähnelt auch meiner Heimatstadt Gifu in vielerlei Hinsicht – es ist nicht groß und auch nicht klein. Ich habe mich daher sofort zu Hause gefühlt.
Wie empfinden Sie den Zusammenhalt der japanischen Community in Düsseldorf?
Das Verhältnis zwischen den Gastronom*innen ist kollegial, man hält zusammen. Es gibt eine wirklich schöne Gastro-Kultur hier.
Was unterscheidet Sie von anderen japanischen Köch*innen?
Meine Küche ist nicht in erster Linie auf japanische Gäste ausgerichtet. Man könnte fast sagen: Sie ist eigentlich nicht für Japaner*innen, sondern für Düsseldorfer*innen gemacht. Und es kommen eher Europäer*innen zu uns. Wir bieten japanische Kultur mit deutschen Einflüssen. Ich habe in der Kaiseiki-Küche gelernt. Mein Ziel ist, diese weiterzuentwickeln, ihre Traditionen zu bewahren und gleichzeitig moderne Elemente einfließen zu lassen.
Wo essen Sie gerne auswärts?
Ich gehe gerne ins Kushi-Tei, Takeichi oder ins Yabase. Wenn ich Lust auf französische Haute Cuisine habe, gehe ich ins Le Flair. Im Schiffchen zu essen ist auch ein Erlebnis, dort kocht mit Jean-Claude Bourgeuil ein großer Meister seiner Zunft.
Sie sind seit 2003, also seit fast 20 Jahren, in der Düsseldorfer Gastronomie. Wie hat die Stadt sich seither verändert?
Eigentlich hat sich nicht so viel verändert. Es gibt nach wie vor eine große Anzahl von Gourmetrestaurants hier.
Was inspiriert Sie? Woher nehmen Sie Ihre Ideen?
Neue Ideen finde ich meist im Internet. Dort sehe ich, was international modern ist, was man in Tokio und New York isst. Zum Reisen bleibt mir leider wenig Zeit.
Sushi, Sake & japanischer Lifestyle
Little Tokyo in Düsseldorf ist einmalig in Deutschland. Wir zeigen euch auf unserer Stadtführung, wo es den besten Sake, das wertvollste Sushi und coole Mangas gibt. Mehr Informationen findet ihr hier.
Wohin gehen Sie, wenn Sie abschalten wollen?
Ich mag den Hofgarten und gehe manchmal an den Rhein oder in den japanischen Garten in Niederkassel. Der japanische Garten im Nordpark interessiert mich auch, doch ich habe ihn noch nicht besucht. Ich bin bisher nicht dazu gekommen.
Welcher Ort ist Ihr Lieblingsort in Little Tokyo?
Das Ramen-Restaurant Takeichi, wo man sich wirklich wie in Japan fühlt. Ich bin aber auch gerne zu Hause. Ich wohne ja direkt um die Ecke.
Haben Sie manchmal Heimweh nach Japan?
Meine Schwester lebt noch in Japan. Besuche sind aber auch deshalb Pflicht, um auf dem Laufenden zu bleiben, was japanische Food-Trends betrifft. Inzwischen empfinde ich jedoch Düsseldorf als meine Heimat. Ich freue mich jedes Mal bei meiner Rückkehr, wenn ich vom Rheinturm empfangen werde. Ehrlich gesagt, freue ich mich auch schon, wenn auf der Autobahn Düsseldorf ausgeschildert ist.
Interview: Ilona Marx
Fotos: Markus Luigs
Info:1) Kaseiki ist die Haute Cuisine der klassischen japanischen Küche. Die Menüs bestehen aus vielen, kleinen Gängen, die kunstvoll angerichtet sind. In der Kaseiki-Küche ist eine Art kulinarischer Ausdruck der japanischen Kultur.
(Aktualisierte Version des Interviews von 01/2023.)